Mittwoch, 24. Mai 2017

Ausgezeichneter Zeitungsartikel–Südwest Presse über den Vortrag in der PH Ludwigsburg. Excelente artículo de prensa del día de hoy.

LUDWIGSBURG

Emilie Schindler im Schatten von „Schindlers Liste“

Uwe Roth | 24.05.201710

Erika Rosenberg, Nachlassverwalterin des Ehepaars Schindler, berichtete in der PH von den „Menschenrettern“ Oskar und Emilie Schindler. Sie stellt dabei gerade die Rolle Emilies heraus.

Foto: Uwe Roth

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Erika Rosenberg, Nachlassverwalterin des Ehepaars Schindler, berichtete in der PH von den „Menschenrettern“ Oskar und Emilie Schindler. Sie stellt dabei gerade die Rolle Emilies heraus.  

Schindlers Liste“ ist für Eri­ka Rosenberg Hollywood. Sie findet den Spielfilm von Regisseur Steven Spielberg nach ihren Worten nicht schlecht gemacht. „Es ist keine Dokumentation, sondern eine Fiktion“, stellt die Professorin aus Buenos Aires und Biografin von Emilie Schindler in einem Gastvortrag in der Aula der PH Ludwigsburg am Dienstag klar. Der Film über die Rettung von 1200 Juden vor dem Nazi-Tod kam 1993 in die Kinos und wurde mit sechs Oskars ausgezeichnet. Mit dem wahren Leben des Ehepaars Emilie und Oskar Schindler habe das Drehbuch jedoch wenig zu tun.

Die 65-Jährige muss es wissen: Die Historikerin studierte nicht nur ausgiebig Quellen, sondern Emilie war darüber hinaus ihre beste Freundin, wie sie sagt. Viele Gespräche hat sie mit dem Tonband aufgezeichnet. Emilie starb 2001 im Alter von 94 Jahren. Kennengelernt haben sich die beiden Frauen 1990. Das gemeinsame Jahrzehnt war ein Kampf um Anerkennung einer tapferen Frau, die immer im Schatten ihres Mannes geblieben ist.

Oskar Schindler war zum Zeitpunkt der Jahrtausendwende bereits 26 Jahre tot. Er wurde 66 Jahre alt. 1957 hatte er seine Frau nach 30 Jahren Ehe auf einer kleinen Farm in San Vicente, Argentinien, einfach sitzen lassen und war nach Deutschland zurückgekehrt. So hat es ihr Emilie berichtet. Die einseitige Trennung war nicht die erste Demütigung durch ihren Mann. Vom Beginn der Beziehung hatte er sie immer wieder betrogen, war reumütig zurückgekehrt, um bald wieder über die Stränge zu schlagen. Doch Oskar war ihre große Liebe, und sie verzieh ihm jedes Mal.

„Schindlers Liste“ – damit beginnt für Erika Rosenberg die einseitige Betrachtungsweise. In der Filmbeschreibung wird nur der heldenhafte Unternehmer Oskar Schindler erwähnt, der eine Fabrik eingerichtet hat, um Zwangsarbeiter vor dem Giftgastod zu bewahren.

Dabei hat Emilie ganz allein 120 jüdische Arbeiter gerettet, wie die Historikerin festgestellt hat. Oskar war, wie sehr häufig, unterwegs, als die bis auf das Skelett abgemagerten Häftlinge bei minus 25 Grad auf dem Firmenhof abgeliefert wurden. „Hätte sie die Menschen nicht aufgenommen, wäre das ihr sicherer Tod gewesen. Sie wären ansonsten erschossen worden.“ Emilie und ihre Angestellten haben die Menschen Häppchenweise gefüttert. Alle haben überlebt. „Das ist eine riesige Leistung für eine kleine Frau. Sie war mutig und tapfer, und sie konnte sich durchsetzen“, beschreibt Rosenberg ihre beste Freundin. Als Heldin ist Emilie in Deutschland nie offiziell dafür gefeiert worden. Auf Antrag der Historikerin erhielt sie 1995 das Bundesverdienstkreuz.

Und Oskar Schindler? Erika Rosenberg schildert den Mann als einen Lebemann, der gerne einen getrunken hat, der es mit der ehelichen Treue nicht genau nahm. Schindler unterhielt gute Kontakte zu den Nazis, verbrachte viel Zeit mit einem KZ-Leiter, den Emilie schlicht als eine Bestie bezeichnete. Morgens habe er regelmäßig Schießübungen auf Lagerinsassen gemacht. Emilie konnte nicht verstehen, warum ihr Mann die Nähe zu diesem Mörder suchte. War Oskar Schindler ein Nazi, der Leben rettete? Rosenberg will nach ihren Worten kein Urteil fällen, sondern Beschreibungen abgeben. „Die Mischung aus Macht und Gefahr, das war sein Lebenselixier“, sagt sie. Er sei Spion gewesen und Nazijäger. Unterm Strich nennt sie Schindler „einen tollen Menschen“. Diese Feststellung hat mit ihrer eigenen Biografie zu tun: Erika Rosenberg ist die Tochter jüdischer Eltern, die 1936 noch vor dem Holocaust über Paraguay nach Argentinien fliehen konnten. Viele aus der Verwandtschaft jedoch nicht. „Wären die Namen meiner Verwandten auf Schindlers Liste gestanden, wäre ich heute nicht die Letzte meiner Familie.“

 

Oskar Schindler wurde am 28. April 1908 als Sohn des Landmaschinenfabrikanten Johann „Hans“ Schindler und dessen Frau Franziska „Fanny“ in Zwittau (Mähren) geboren. Er starb 1974 in Hildesheim, im Alter von 66 Jahren. Oskar Schindler ist auf dem römisch-katholischen Franziskanerfriedhof am Berg Zion in Jerusalem begraben.

Emilie Pelzl war das zweite Kind von Josef und Maria Pelzl. In Brünn (ebenfalls Mähren) besuchte sie verschiedene Schulen, darunter auch eine Landwirtschaftsschule. Am 6. März 1928 heiratete sie den ein Jahr jüngeren sudetendeutschen Industriellen Oskar Schindler. Sie starb am 5. Oktober 2001 nach einem Schlaganfall in einer Klinik in Strausberg bei Berlin. Am 19. Oktober wurde sie auf eigenen Wunsch in Waldkraiburg (Bayern) beerdigt. roth