Fürsprecherin einer Heldin
Geschichte wiederholt sich. Wenn Erika Rosenberg über die Flucht ihrer Eltern 1936 nach Argentinien erzählt, ist es, als spräche sie über die Flüchtlinge des Jahres 2016. Doch deswegen kam die 64-jährige Argentinierin nicht nachNabburg.
Nabburg. (ihl) Sie spricht über Emilie Schindler –„meine beste Freundin“ – und korrigiert vor angehenden Bank und Industriekaufleuten sowie MetallbauernamDonnerstag in der Berufsschule den Hollywood-Film „Schindlers Liste“. Zwei wesentliche Erkenntnisse hat die argentinische Jüdin aus dem Film gewonnen. „Spielbergh at nur die Geschichte vonMännerne rzählt.“ Und: „Der Film wurde für die Geretteten gedreht und nicht für die Schindlers.“
BeiRecherchen für ein Buch über Einwanderer in Argentinien „stolperte ich über Emilie Schindler“. Das war 1990. Diebeiden Frauen freundeten sich an und Emilie Schindler, die damals noch in Argentinien lebte,
gewährte ihr sehr intime Einblicke in die Vergangenheit. Jetzt ist Rosenbergunterwegs um gegen das Vergessen dieser „unbesungenen Heldin“ anzukämpfen, weil ihr der Film nicht gerecht wird. „Emilie und Oskar,das ist auch die Geschichte einer großen Liebe“, erzählt die Biografin.
Dabei hätten die beiden gegensätzlicher nicht sein können. Er,der
Lebemann, Spion, Frauenheld und Hasardeur,taugte eher zum Filmhelden als die arbeitssame und fromme Emilie.S ie war wohlhabend, er war armund verlebte ihreMitgift.„Erwar kein Fabrikant“, rückt Rosenbergdie Filmbiografie erneut zurecht. Seine erste Arbeit nahm er 1935 in der Spionageabwehr unter Admiral Canaris an. DerKauf der Emailfabrik 1939 in Krakau wurde über Kredite und vonEmilies Elternfinanziert. Schindler arbeitete auch für den Schwarzmarkt. Mitdiesem Geld hat er die Nazis –„Siewaren sehr,sehr korrupt“ –bestochen, um 1200 Menschen zu retten.„Erhat einfach nicht weggeschaut“, betont Rosenberg. Er baute seinen gefährdeten Arbeitern Wohnungen auf dem Fabrikgelände. Daskostete ihm wiederum eine Stange Geld, auch Bestechungsgeld, denn Häftlinge durften eigentlich nicht außerhalb des Lagers leben. MitList zur Liste Doch auch Emilie rettete Leben. 1945 nahm sie 120 fast verhungerte und erfrorene Juden auf. Als es um die Erstellung der berühmten Liste durch Ordnungsmann Marcel Goldman ging, griff Oskar Schindler wieder zu
einem Trick. „Geburts- und Berufsangaben wurden gefälscht, um Familien zusammenzuhalten. Kinder unter 14 und Erwachsene über 50 hätten nicht arbeiten dürfen.“ Noch heute empörtesRosenberg, dass die Liste vordreiJahren trotz ihres massiven Protests versteigert wurde.„So etwas gehörtine in Museum“, sagt sie.A uf ihr Betreiben erhielt Emilie Schindler 1995 das Bundesverdienstkreuz, das ihr Mann schon Jahrzehnte vorher bekommen hatte.
Drei Anläufe Im dritten Anlauf wurde die Geschichtev on Oskar und Emilie Schindler verfilmt. 1951 war Rosenbergzufolge die Zeit noch nicht reif für einen Film über einen guten Deutschen. 1963 sollte die Geschichte erneut verfilmt werden, Schindler schrieb sogar das Drehbuch. Für die Hauptrollen waren Romy Schneider (Emilie Schindler) und RichardBurton (Oskar Schindler) vorgesehen. „Emilie hätte die Hauptrolle gespielt“, ist sich die Autorin sicher, nachdem sie 29 Seiten des zum Teil verschollenen Drehbuchs gesehen hatte.1993 kam dann „Schindlers Liste“ in die Kinos.
ErikaRosenbergverstandes, Geschichte so spannend zu erzählen, dass die Berufsschuler eineinhalb Stunden gebannt zuhörten undauch fundierteFragen stellten. Bild: Huber
ErikaRosenberg
Erika Band de Rosenbergw urde 1951alsTochtereinesjüdischenJuristen aus Berlin und einer jüdischen Ärztin aus HamburginBuenos Aires geboren. Ihre ElternflohennachdenNürnbergerGesetzen 1936 über Paraguay illegal nach Argentinien.
In Argentinien bestand ein Einreiseverbot für deutsche Flüchtlinge.Nurdiesüd-undmittelamerikanischen Staaten Paraguay und die Dominikanische Republik nahmen aus Nazideutschland auf, erklärt Erika Rosenbergden Berufsschülern. „Für meine Elterngab es nur
das gute Deutschland bis 33 und nach 45. Zu allem anderen haben sie sich nie geäußert.“
DieP rofessorin, Schriftstellerin und Übersetzerin hat unter anderemveröffentlicht „InSchindlers Schatten. Emilie Schindler erzählt ihreGeschichte“, „Ich, Oskar Schindler:D ie persönlichen Aufzeichnungen, Briefe und Dokumente“, „Als ich mit dem Papst UBahn fuhr.Jose Bergoglio aus Buenos Aires“. Im Herbst erscheint ihr neues Buch „Das Glashaus.C arl Lutz und die Rettung ungarischer