Dienstag, 11. Juni 2019

Ausgezeichneter Beitrag in der" Allgemeine Zeitung" über Veranstaltung in Mainz. Excelente nota en un destacado periódico de Rheinland- Pfalz sobre conferencia en Mainz

Die „wahre Geschichte“ der Emilie Schindler

Von Rebecca Herber
 Erschienen am 11.06.2019 um 01:18 Uhr, zuletzt geändert am 11.06.2019 um 02:00 Uhr
Erika Rosenberg berichtet Schülern der Mainzer IGS Anna Seghers über die Hintergründe des Steven-Spielberg-Films „Schindlers Liste“.
Erika Rosenberg war zu Gast an der Integrierten Gesamtschule Anna Seghers. Foto: hbz/Schäfer
Erika Rosenberg war zu Gast an der Integrierten Gesamtschule Anna Seghers.Foto: hbz/Schäfer
OBERSTADT - Schindlers Liste. Ein weltbekannter, vielfach ausgezeichneter Film Steven Spielbergs. Großes Kino aus Hollywood, das auch heute, mehr als 25 Jahre nach seiner Veröffentlichung, Menschen bewegt. Dass vieles darin nicht ganz der Wahrheit entspricht und aus dramaturgischen Gründen hinzugefügt wurde, weiß Erika Rosenberg. Sie ist Biografin des Ehepaars Oskar und Emilie Schindler, hat mehrere Bücher über sie geschrieben.
„Es ist ein toller Film, aber das ist Hollywood. Was ich aber präsentieren kann, ist wahre Geschichte“, betont sie bei einem Zeitzeugengespräch mit Schülern der neunten und zehnten Klassen der IGS Anna Seghers im Berliner Viertel. Sie kritisiert den Film besonders für seine falsche Darstellung der Emilie Schindler, der im Film kein großer Beitrag zum Schutz und zur Rettung von 1200 jüdischen Fabrikarbeitern zugeschrieben wird.
Mit Emilie Schindler verbrachte sie bis zu ihrem Tod 2001 viel Zeit. „Sie war meine beste Freundin. Aber auch noch viel mehr. Sie war wie eine Oma für mich und ich wie ein Kind für sie.“ Erika Rosenberg wurde 1951 in Argentinien geboren, wo sie auch heute noch lebt. Ihre Eltern mussten nach Erlass der Nürnberger Gesetze 1935 Deutschland verlassen, flohen erst nach Paraguay und später nach Argentinien. „Für sie war damals auch eine vorherrschende Frage: Wohin? Denn es ist ähnlich wie heute, niemand wollte sie aufnehmen.“ Ihre Eltern sprachen trotz unnachgiebiger Nachfrage in ihrer Kindheit nicht mit Erika Rosenberg über die Umstände ihrer Flucht, vom Holocaust erfuhr sie erst in ihrer Schulzeit aus Büchern. Dafür sei sie ihnen aber dankbar, denn so habe sie „ohne Ressentiments“ aufwachsen können.
Ihr Drang mehr zu erfahren, habe sie schließlich dazu gebracht, Historikerin zu werden. 1990 traf sie sich das erste Mal mit Emilie Schindler, die 1949 auch nach Argentinien ausgewandert war. Zusammen schrieben sie die Biografie der Eheleute. Am Anfang sei Oskar Schindler ein überzeugter Nazi gewesen, so Rosenberg. Er habe für den Geheimdienst gearbeitet, was es ihm aber später ermöglichte, seine Handlungen besser zu verschleiern. Zwischen 1940 und 1944 sei er aber auch viermal verhaftet worden.
Rosenberg erzählt, Schindler sei verschwenderisch mit Geld umgegangen, habe mehrere Geliebte und auch zwei uneheliche Kinder gehabt. „Wir wollen Oskar Schindler nicht glorifizieren. Wir zeigen einen Menschen. Wie er ist, mit seinen Tugenden und Schwächen. Aber man muss nicht durch und durch anständig sein, um ein guter Mensch zu sein und gute Taten zu vollbringen.“
Von dem, was Emilie an Untaten beobachtet hat, zu sprechen, war für sie nicht einfach, erzählt sie. „Und für mich war es auch sehr schwer, mir alles anzuhören.“ Das fünfzigstündige MP3 Material sei immer wieder vom Weinen Emilie Schindlers unterbrochen, erzählt Rosenberg. „Die beiden haben in einer so trostlosen Zeit 1200 Menschen gerettet. Ich sage Menschen, nicht Juden. Denn wir sind doch alle Menschen, das ist das Einzige, was schlussendlich zählt“, gibt sie den Schülern mit auf den Weg.