Montag, 19. November 2018

Ausgezeichneter Zeitungsartikel. Excelente Art. de prensa

Montag, 19.November2018 SLZ3-1 Seite 11 LOKALES


Ein Lichtpfad im Holocaust
Unter der Überschrift „Ein
Lichtpfad im Holocaust“
erzählte Erika Rosenberg
die Geschichte des Ehe￾paars Emilie und Oskar
Schindler, sowie des Diplo￾maten Carl Lutz.
Von Jana Henn
Bad Salzungen – Professor Erika Ro￾senberg konnte erneut in Bad Sal￾zungen begrüßt werden. Sie ist mitt￾lerweile ein regelmäßiger und immer
wieder gern gesehener Gast. Auch für
die Schriftstellerin und Schindler￾Biografin selbst ist der Besuch in Bad
Salzungen eine große Freude. Sie
sagt: „Ich fühle mich wie zu Hause,
auch aufgrund der vielen lieben
Menschen, die mich hier schon
lange begleiten.“
Zwei Tage lang arbeitete sie inten￾siv mit Schülerinnen und Schülern
des Dr.-Sulzberger-Gymnasiums in
Bad Salzungen. Als Abschluss hatte
der 1. TSV Bad Salzungen und das Se￾niorenbüro Wartburgkreis in die Au￾la des Gymnasiums eingeladen.
Unter der Überschrift „Ein
Lichtpfad im Holocaust“ erzählt sie
die Geschichte des Ehepaars Emilie
und Oskar Schindler, sowie des Di￾plomaten Carl Lutz. Die Schindlers
betrieben mehrere Fabriken im pol￾nischen Krakau und zuletzt im tsche￾chischen Brünnlitz. Sie verpflichte￾ten jüdische Arbeiter und schenkten
ihnen damit Sicherheit. „Das war
nicht eine Tat an einem Tag. Sie ha￾ben 2000 Tage lang geholfen und da￾bei ihr eigenes Geld investiert. Das
nennt man Zivilcourage.“, sagt die
Biografin. Oskar Schindler wurde mit
einem Film unter der Regie von Ste￾phen Spielberg ein Denkmal gesetzt.
Emilie Schindler war aber ebenso be￾teiligt an der Rettung der Juden und
ihr wird Anerkennung nicht in glei￾chem Maß zuteil.
Stephen Spielberg hat ihre Leis￾tung im Film unberücksichtigt gelas￾sen. Und so betont Erika Rosenberg:
„Ich möchte diesen Film entmystifi￾zieren.“ Carl Lutz war Diplomat in
der Schweizer Legation in Budapest.
Er stellte für 63000 Juden gefälschte
Schutzbriefe und Kollektivpässe aus,
um die Ausreise nach Palästina zu er￾möglichen. Zum Schutz dieser Men￾schen beherbergte er sie auch im le￾gendären Glashaus und in weiteren
Schutzhäusern in Budapest. Leider
blieb ihm nach dem Krieg die Aner￾kennung verwehrt, die er verdient
hätte. Vielmehr musste er sich in sei￾nem Heimatland dafür rechtfertigen
und wurde wegen Kompetenzüber￾schreitung verurteilt. Bis heute ist er
nicht rehabilitiert.
Möglicherweise sind sich Carl Lutz
und Oskar Schindler 1943 in Buda￾pest begegnet. Die unbesungenen
Helden Emilie und Oskar Schindler
sowie Carl Lutz eint aber eins. Sie ha￾ben sich mit Mut und Tapferkeit in
der dunklen Zeit des Holocaust für
ihre jüdischen Mitmenschen einge￾setzt, ohne an sich selbst zu denken.
Im Talmund heißt es: „Wer auch nur
ein Leben rettet, der rettet die ganze
Welt.“ Und das haben alle drei Perso￾nen tausendfach getan. Nach dem
Vortrag führte Erika Rosenberg durch
die Ausstellung in der Aula des Gym￾nasiums. Sie ist die weltweit umfang￾reichste Ausstellung zur Geschichte
des Ehepaars Schindler und über Carl
Lutz. Der ehemalige Gymnasialleh￾rer Burkhard Durner, der schon viele
Jahre mit Erika Rosenberg und ihrem
Mann Jose befreundet ist, würde sich
freuen, wenn auch andere Schulen,
Vereine oder interessierte Personen￾gruppen das Angebot nutzen wür￾den. Eine Führung durch die Ausstel￾lung ist nach Anmeldung bei der
Schulleitung möglich. Die vielen Ta￾feln beinhalten u.a. eine Kopie der
legendären Schindlers Liste, ein
Schreiben des ehemaligen amerika￾nischen Präsidenten Bill Clinton an
Emilie Schindler und Papiere ihrer
Ausreise nach Argentinien. Gezeigt
wird die Geschichte hinter dem Film.
Ebenfalls zu sehen sind Bilder von
Carl Lutz und Zeichnungen und Be￾schreibungen der Zustände im Glas￾haus sowie ein Schutzpass seiner spä-
teren Stieftochter Agnes Hirschi. Mit
der Ausstellung bleibt die Leistung
der Schindlers und von Carl Lutz als
fotografisches Gedächtnis erhalten.
Ein literarisches Denkmal hat Erika
Rosenberg diesen Helden bereits mit
den Autobiografien von Emilie und
Oskar Schindler und mit dem Buch
über Carl Lutz „Das Glashaus“ ge￾setzt.
Während Erika Rosenberg noch im
Gespräch mit den Gästen ist, bleibt
die letzte Folie ihrer Powerpoint-Prä-
sentation wie ein Mahnmal einge￾blendet. Darauf steht: „Nie wieder
Krrieg! Für Demokratie, Toleranz, Zi￾vilcourage, Menschenrechte.“ Erika
Rosenberg wird sicher wieder den
Weg nach Bad Salzungen finden. Bis
dahin sollte ihr Einsatz für Gerech￾tigkeit und Verständigung unter den
Völkern ein Auftrag an alle sein.
Erika Rosenberg hielt einen Vortrag unter der Überschrift „Ein Lichtpfad im Holocaust“ über die unbesungenen Helden
Emilie und Oskar Schindler sowie Carl Lutz und führte anschließend durch die Ausstellung in der Aula des Dr.-Sulzberger￾Gymnasiums. Fotos (2): Jana Henn
.
Wie die Ratten nach Argentinien kamen
Auf den „Rattenlinien“ ge￾langten zahlreiche Nazi￾Kriegsverbrecher wie Adolf
Eichmann mit Unterstüt￾zung durch Institutionen
der katholischen Kirche
nach Argentinien und an￾deren südamerikanischen
Staaten.
Von Werner Kaiser
Bad Salzungen – An zwei Projektta￾gen am Dr.-Sulzberger-Gymnasium
Bad Salzungen setzten sich Schüler
der 10. und 12. Klassen im Rahmen
des Geschichtsunterrichts mit den
Themen Demokratie, Toleranz und
Zivilcourage sowie Erinnerungskul￾tur auseinander.
40 Gymnasiasten des Geschichts￾kurses der 12. Klassen erlebten die
Historikerin, Autorin und Übersetze￾rin Prof. Erika Band de Rosenberg aus
Argentinien. Ihr Thema an diesem
Vormittag waren die sogenannten
Rattenlinien. Dieser Begriff bezeich￾net ein ganzes System von Fluchthil￾fen für faschistische Führungskräfte.
Vorbereitet wurde das Ganze durch
den kroatischen Franziskanerpater
Krunoslaw Draganovic zunächst für
die von Ante Pavelic geführte, eng
mit Nazideutschland kooperierende
Ustascha, die während der deut￾schen Okkupation ab 1941 in Kroa￾tien bis zu deren Zusammenbruch
ein Terrorregime ausübte.
Nach dem Ende des 2. Weltkrieges
retteten sich viele Nazigrößen auf
diesen Wegen nach Südamerika.
Amerikanische Zutat
Der Name „Rattenlinien“ (rat li￾nes) war freilich eine Zutat amerika￾nischer Geheimdienstler, als sie sich
das hier versammelte antikommu￾nistische Potenzial zunutze machen
wollten. Darauf ging die Referentin
allerdings nicht weiter ein, da sie die
ohnehin komplizierte Materie nicht
zu sehr überladen wollte.
Die ursprüngliche Bezeichnung
Klosterroute deutete auf frühere,
ebenso schwerwiegende Zusammen￾hänge: Neben dem Internationalen
Roten Kreuz und seinen österrei￾chischen und italienischen Landes￾organisationen machte sich beson￾ders die katholische Kirche um die
Fluchthilfen „verdient“, namentlich
der aus Österreich stammende Bi￾schof Alois Hudal, der in Rom ein
Priesterkolleg leitete. Involviert war
auch der Heilige Stuhl, etwa durch
die Beglaubigung von Personaldoku￾menten.
Bekannte Namen
Erika Rosenberg konnte bekannte
Namen auflisten: Zu den Benutzern
der Rattenlinien gehörten unter an￾derem der SS-Führer Erich Priebke,
der später in Italien verurteilt wurde,
der KZ-Arzt Josef Mengele und der
vom Ehepaar Klarsfeld dingfest ge￾machte ehemalige Gestapochef von
Lyon Klaus Barbie. Eine führende
Rolle spielte das hochdekorierte
Luftwaffenidol Hans-Ulrich Rudel
dem die bundesdeutsche Fußballna￾tionalmannschaft 1978 noch einmal
große Aufmerksamkeit bescherte, als
sie ihn während der Fußball-WM in
Argentinien in ihr Trainingslager
einlud.
Und schließlich Adolf Eichmann,
der Organisator der Todestransporte
nach Auschwitz, der als Ricardo Cle￾ment bei Buenos Aires lebte, dann
vom israelischen Mossad entführt, in
Jerusalem vor Gericht gestellt und
zum Tode verurteilt wurde.
Erika Rosenberg, die unter ande￾rem durch ihre Biografien von Oskar
und Emilie Schindler hervortrat, hat
einen durchaus persönlichen Bezug
zu der Thematik. Ihre jüdischen El￾tern – die Mutter war Ärztin, der Va￾ter Jurist – verließen Deutschland
unter dem Eindruck der 1935 erlasse￾nen Nürnberger Rassengesetze und
erreichten nach abenteuerlicher
Flucht, unter anderem von den USA
abgewiesen, und einem illegalen
Grenzübertritt schließlich Argenti￾nien.
Dort spielten neben italienischen
vor allem deutsche Einwanderer eine
wichtige Rolle und entwickelten gro-
ße Sympathien für die Naziideologie.
Die freundliche Haltung des argenti￾nischen Staates gegenüber Hitler￾deutschland wurde von Letzterem in
den 1930er Jahren durch ein beson￾deres Geschenk gewürdigt: einen in
der Hauptstadt errichteten gewalti￾gen Obelisk.
Unter dem autoritär regierenden
Präsidenten Juan Perón setzte sich
diese argentinische Politik auch
nach der deutschen Niederlage fort.
Aber nicht die persönlichen Erlebnis￾se der Eltern, über die eisern ge￾schwiegen wurde, bestimmten die
Themen von Erika Rosenberg, die
1951 geboren wurde und somit eine
Zeitzeugin der zweiten Generation
ist, sondern ihre wissenschaftliche
und publizistische Arbeit.
Ihr Anliegen ist es, bei der Ausein￾andersetzung mit der eigenen Ge￾schichte die Erinnerungskultur zu
bewahren und zugleich nach Versöh￾nung zu streben.
Die Salzunger Gymnasiasten ver￾folgten den Vortrag mit großer Auf￾merksamkeit und Anteilnahme. In
der anschließenden Aussprache be￾wies vor allem Steven Leimbach, dass
er sich schon länger intensiv mit der
Problematik und überhaupt mit der
deutschen Geschichte auseinander￾gesetzt hatte.
Genutzt wurde der Besuch – Erika
Rosenberg kommt übrigens schon
seit etlichen Jahren regelmäßig in
diese Schule – auch, um etwa sach￾kundige Informationen über das ar￾gentinische Bildungssystem einzu￾holen und es mit den in Deutschland
gebotenen, von demokratischen
Grundsätzen geprägten Möglichkei￾ten zu vergleichen.
Von den Gymnasiasten war es vor allem Steven Leimbach (mit Mikrofon), der die argentinische Professorin Erika Rosen￾berg mit seinen Fragen zuweiteren Auskünften und Positionsbestimmungen anregte. Foto: Werner Kaiser
AmAbend hatte Erika Rosenberg mit den Senioren aufmerksame Zuhörer und in￾teressierte Gesprächspartner.