18.11.2014 | Netzcode: 4385218 | 829 Mal gelesen.
Waldsassen
Bestechung und Beziehungen
Waldsassen. "Ich spreche heute nur von Menschen, nicht von Juden oder von Deutschen. Denn sie waren alle Menschen." Die ersten Worte, welche Erika Rosenberg an ihre jungen Zuhörer richtet, mögen viele überraschen. Sie erzählt von Oskar Schindler.
Zum Abschluss einer interessanten und ergreifenden Woche zum Thema sprach Dr. Erika Rosenberg in der Sporthalle der Realschule im Stiftland über Emilie Schindler. Bild: hfz
Der Fabrikant - NSDAP-Mitglied - hat etwa 1200 Juden während des Holocaust das Leben gerettet. Der Pressemitteilung der Realschule zufolge wird bereits zu Beginn deutlich, dass die Professorin eine ganz besondere Beziehung zur Familie Schindler gehabt haben muss. Dr. Erika Rosenberg ist selbst jüdische Zeitzeugin in zweiter Generation, deren Eltern bereits 1936 nach Paraguay und später nach Argentinien ausgewandert sind.
"In meiner Familie gab es ein Deutschland vor 1933 und nach 1945. Über die Zeit dazwischen wurde geschwiegen", berichtet sie über ihre eigene Geschichte. Erst viel später habe sie sich im Rahmen einer Arbeit mit der Einwanderung von Juden in Argentinien beschäftigt und ist dabei auf den Namen einer Frau gestoßen, die ebenfalls dort lebte - Emilie Schindler, die Frau des berühmten Oskar Schindler. Über viele Jahre, in denen zahlreiche Interviews geführt wurden, entwickelte sich zwischen beiden Frauen eine tiefe Freundschaft. Und es stellte sich heraus, dass Emilie Schindler mindestens genauso viel Anteil an der Rettung der 1200 sogenannten Schindler-Juden hatte wie ihr Mann.
So sorgte sie etwa für Zusatzrationen oder medizinische Versorgung und stand von Anfang an "an der Seite ihres Mannes". Ihre Rolle ist deshalb auch der Kern des Vortrags von Frau Rosenberg. In ihm erläutert die 63-Jährige unter anderem Herkunft und Privatleben der Schindlers, die Gründung der Emaillewaren-Fabrik in Krakau, die spätere Verlegung nach Brünnlitz, die "Zusammenarbeit" mit dem Lagerkommandanten Amon Goeth und die ständige Gefahr, in der sich das Ehepaar Schindler befand. Denn in ihrer Firma waren auch 1200 jüdische Arbeiter beschäftigt, die nur durch Bestechung wichtiger Funktionäre und gute Beziehungen den Gaskammern von Auschwitz entkamen. Dies alles kostete viel Geld, "... 26 Millionen Euro wären das heute, ein Vermögen."
Als die Rote Armee in Brünnlitz einmarschierte und Oskar und Emilie Schindler am 8. Mai 1945 fliehen mussten, sei ihnen nichts mehr geblieben. Alle Mittel waren verbraucht. Als nun verfolgte NSDAP-Mitglieder kamen beide zuerst nach Regensburg, von wo aus sie ein paar Jahre später mit Hilfe einer jüdischen Organisation nach Argentinien auswanderten.
1957 kam Oskar zurück nach Deutschland, Emilie blieb in Argentinien. Vom Tod ihres Mannes habe sie "... durch Zufall in einer Zeitung erfahren", ihn aber bis zum Ende sehr geliebt.