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Kampf gegen Armut und Ausgrenzung
Erika Rosenberg stellt im Beruflichen Schulzentrum in Backnang ihr Buch „Als ich mit dem Papst U-Bahn fuhr“ vor
„Ich habe über einen guten Menschen geschrieben, der auch Papst ist.“ Dies sagte die Jüdin Erika Rosenberg, als sie gestern im Beruflichen Schulzentrum in Backnang ihr Buch „Als ich mit dem Papst U-Bahn fuhr“ vorstellte. Viel erzählt die in Argentinien aufgewachsene Tochter deutsch-jüdischer Emigranten aus Berlin deshalb auch über die Zeit, als Papst Franziskus noch Erzbischof Jorge Bergoglio in Buenos Aires war.„Die Menschlichkeit hat beim Papst immer Vorrang, deshalb erreicht er auch alle Herzen“: Erika Rosenberg bei ihrem Vortrag im Beruflichen Schulzentrum in Backnang.Foto: E. Layher
Von Ingrid Knack
BACKNANG. Erika Rosenberg, bekannt als Biografin von Emilie und Oskar Schindler, verfolgt das Leben von Papst Franziskus seit 1998. In der U-Bahn begegnete sie ihm nicht nur einmal – rein zufällig. Wenn sie da vor den Schülern in der Aula des Beruflichen Schulzentrums so über den „Padre Jorge Mario Bergoglio“ redet, klingt das fast schwärmerisch. Sie erzählt, wie er armen Menschen Hoffnung schenkte, wie er während der Militärdiktatur Seminaristen im Kloster versteckte, „jeder wusste, dass es keine Gäste waren, sondern junge Priester“ – die Vorwürfe, die sich Papst Franziskus schon hatte anhören müssen, er habe mit den Machthabern kollaboriert, entkräftigt sie mit diesem Beispiel.
Auch in der Vita des Papstes, der zunächst eine glänzende Karriere gemacht hatte, habe es immer auch Gegenwind von den Kirchenvätern gegeben. Jorge Bergoglio trat 1958 in den Jesuitenorden ein, 1969 wurde er zum Priester und 1992 zum Bischof geweiht. 1998 wurde er Erzbischof von Buenos Aires. 2001 erfolgte die Ernennung zum Kardinal. Seit 13. März 2013 ist er Papst Franziskus, der erste Lateinamerikaner in diesem Amt. „Heute hat er auch Gegenwind im Vatikan – leicht hat es Franziskus im Vatikan nicht“, weiß Erika Rosenberg. Als Erklärung schiebt sie nach: „Es gibt Eliten, die haben bestimmte Pfründe. Die leben wie Gott in Frankreich.“ Der Papst indes habe nie im Luxus gelebt. Er predige Bescheidenheit und lebe selbst bescheiden, demütig. „Der wahre Luxus ist hier“, sagt die Autorin, deren großes Thema die Versöhnung ist, und legt ihre rechte Hand auf ihr Herz. „Nicht was wir haben oder wie wir aussehen, ist wichtig. Sondern unser Herz, unsere Seele, unsere Liebe. Darum geht es heute ...“
Im März 2013, als Pater Jorge Papst wurde, hatte Erika Rosenberg beschlossen, ein Buch „über einen ausgezeichneten, guten Menschen zu schreiben, der lebt, wie er predigt.“ Dazu führte sie auch Gespräche mit Weggefährten des Argentiniers. Und sie redete mit Frauen aus dem Rotlichtmilieu, mit Gefangenen, mit Slumbewohnern, mit einem Muslim und mit dem Rabbi Abraham Skorka, dem Rektor des lateinamerikanischen Rabbinerseminars, mit dem Papst Franziskus ein in dem Buch „Über Himmel und Erde“ nachzulesendes Gespräch führte. Der interreligiöse Dialog ist neben der Bekämpfung der Armut eines der obersten Ziele des Papstes.
Bei der Lesung in Backnang zitiert Erika Rosenberg eine Frau namens Isabella, die mit zwölf Jahren von ihrer Mutter zur Prostitution weggegeben wurde, die dann Drogen nahm und mit dem HIV-Virus infiziert ist. „Was haben Sie in Bergoglios Augen gesehen?“, hatte sie Isabella gefragt. Die Antwort war: „Große Liebe, Verständnis und Demut. Er ist eine Persönlichkeit, und bestimmt wird er viel Böses in der Welt ändern.“ Bei einer Messe bat sie den Geistlichen, ihren Rosenkranz zu segnen. „Von diesem Tag an hat sich ihr Leben verändert.“ Zu den Armen in den Slums sei der Jesuit nicht mit leeren Händen gekommen. Er habe immer Lebensmittel mitgebracht, weiß Rosenberg. „Ich halte keine Messe vor hungernden Mägen“, habe er gesagt. Erika Rosenberg stellt eine Frage in den Raum: „Ist das Religion? Oder Glaube an den Menschen?“
„Ein guter Christ ist niemals
ein Antisemit“
„Wie kommt eine Jüdin darauf, über einen Papst ein Buch zu schreiben?“ 1998, also zu der Zeit, als Argentinien noch in Bezug auf andere Religionen reaktionär gewesen sei, habe sie in einer Zeitung einen Artikel entdeckt, dass der damalige Erzbischof von Buenos Aires eine Gedenktafel für die Opfer des Holocausts in einer Kathedrale verlegen lassen wollte. „Das war ein Novum“, erklärt die Autorin. „Ich wollte den Mann kennenlernen.“ Am 25. Mai, dem Nationalfeiertag, sei sie zum Te Deum gegangen. Da saß sie nun in der ersten Reihe, ausgerüstet mit Block und Kugelschreiber. „Ich bin ja nicht fromm – aber nach fünf Minuten war ich so angetan von seinen Worten und nach zwanzig Minuten völlig fasziniert.“ Pater Jorge habe alle Herzen „absolut angerührt“. Wochen später fuhr sie dann mit ihm in derselben U-Bahn. Sie sprach den Papst an. „,Entschuldigung, ich bin sehr frech und neugierig. Ich bin Journalistin und hätte eine Frage. Ich bin Jüdin und war bei Ihnen in der Kathedrale. Gibt es tatsächlich eine Annäherung zwischen Christen und Juden?’ Er lächelte, fasste mich am Arm und sagte: ,Ein guter Christ ist niemals ein Antisemit’.“ Dann sei er ausgestiegen und habe vom Bahnsteig aus noch gewinkt.
Bei der Veranstaltung der Schule und der Konrad-Adenauer Stiftung spricht Erika Rosenberg auch viel über ihr Land, in dem die Schere zwischen Arm und Reich immer mehr auseinanderklafft. Und sie bestätigt: „Es ist die einzige autorisierte Biografie über den Papst – und das noch von einer Jüdin.“ Ihr Buch hat Papst Franziskus persönlich signiert.