„Liebe und Wärme in seinen Augen“, waren der Anlass für Erika Rosenberg, ein Buch über Papst Franziskus zu schreiben
Foto: Cover Herbig Verlag
Als ich mit dem Papst U-Bahn fuhr
„Ein Papst zum Anfassen“ schreibt die argentinische Jüdin Erika Rosenberg
von Roland R. Rolpers / Gastautor, Sonntag, 29. März 2015 16:03
„Päpste interessierten mich nicht, noch beeindruckten sie mich“, sagt Erika Rosenberg in ihrem Buch„Als ich mit dem Papst U-Bahn fuhr“, erschienen im Herbig Verlag.
„Und der eine, dem ich begegnet war, Johannes Paul II., hatte diese Ansicht nicht zu revidieren vermocht. Ich hatte ihn erlebt, als ich Emilie Schindler im März 1995 nach Rom begleitete. Zu dem einen findet man eben eine Antenne, zu dem anderen nicht.“
„Das änderte sich schlagartig während einer Vorlesungspause. Ich hörte plötzlich lautes Geschrei auf der Straße. Schon wieder eine Demo dachte ich. In Buenos Aires sind Protestmärsche nämlich ein alltägliches Bild.“
„Plötzlich realisierte ich, was da draußen vor sich ging: frenetischer Jubel und ein triumphaler Singsang wie nach dem Sieg in einem Fußballspiel: ‚Olé, olé, Francisco!’ Plötzlich machte sich auch in mir Euphorie breit; ich ließ den Unterricht ausfallen und eilte los in Richtung Kathedrale, wo sich halb Buenos Aires versammeln würde...“
Ein Glücksfall der Geschichte
Die Dolmetscherin, Journalistin und Buchautorin, die u.a. Diplomaten ausbildet, wurde am 24. Juni 1951 in Buenos Aires geboren. Ihre deutschen Eltern, Vater Jurist und Mutter Ärztin, flohen im Jahr 1936 aus Deutschland nach Argentinien.
Dr. Erica Rosenberg hat sehr berührende Bücher über Oskar und Emilie Schindler geschrieben. Mit Emilie Schindler (1907 – 2001) war sie befreundet. Sie hatte die Beerdigung im bayerischen Waldkraiburg arrangiert. Papst Franziskus ist für sie ein außergewöhnlicher Mensch.
Auf die Frage, weshalb sie als Jüdin ein Buch über den katholischen Papst geschrieben habe, entgegnet Erika Rosenberg: „Ich habe als Mensch ein Buch über einen anderen Menschen geschrieben.“
Sie hatte Erzbischof Jorge Bergoglio das erste Mal 1998 in der Kathedrale von Buenos Aires getroffen. Die Journalistin hatte von der Installation eines Wandbildes in der Catedral Metropolitanafür die Opfer des Holocausts gehört und fühlte sich als Jüdin angesprochen. Gerade auch weil die katholische Kirche in Argentinien jahrelang als reaktionär galt. Mit Stift und Block bewaffnet saß sie in der ersten Reihe und hatte alles aufgeschrieben, was der Erzbischof während dieser Messe sagte – und war fasziniert.
Einige Tage nach dieser ersten Begegnung in der Kathedrale traf sie Jorge Bergoglio zufällig in der U-Bahn. „Er war eben ein Bischof zum Anfassen“, erklärt Erica Rosenberg. „Kurzerhand sprach ich ihn an und fragte, ob es wirklich eine Annäherung zwischen Christen und Juden gäbe.“ Bergoglio, der bereits an der nächsten Station aussteigen musste, fand auf die Schnelle folgende treffende Antwort: „Ein guter Christ ist nie Antisemit“. Als er die U-Bahn verließ, drehte er sich noch einmal nach Erica Rosenberg um und winkte ihr zu.
Dies war der Anlass für ihr Buch, das vor allem die menschlichen Züge des heutigen Papstes Franziskus zeigt. „Liebe und Wärme in seinen Augen.“ Von monatlichen Messen des damaligen Erzbischofs Bergoglio unter freien Himmel im Bahnhofsviertel berichtet sie. Dort, wo die Prostitution floriert. Rosenberg traf eine der Prostituierten, die eine Messe mit Bergoglio besucht hatte.
„Mein Volk ist arm und ich bin einer von ihnen“
Nach dem Gottesdienst bittet die HIV-infizierte Frau Bergoglio ihren Rosenkranz zu segnen und fügt an: „Ich bin eine Sünderin.“ Worauf Bergoglio antwortet: „Wir leben alle in Sünde.“ Und während er dies sagt, habe die Prostituierte „Liebe, Wärme, Zuversicht und Hoffnung in seinen Augen gefunden“. Auch die Elendsviertel der 13-Millionenstadt liegen dem damaligen Erzbischof am Herzen. „Mein Volk ist arm und ich bin einer von ihnen“, sagte er einmal.
Bergoglio schickte immer mehr Priester in die „Villas miserias“, die Elendsviertel mit 250.000 Einwohnern, in die sich nicht einmal die Polizei traut. Die Recherchen zu ihrem Buch führte Erica Rosenberg auch zu den Menschen dieser Viertel. Da gibt es Feliciana, die alleine zehn Kinder aufzieht und erzählt, „dass Pater Jorge ihr gezeigt habe, dass Gott für alle da ist, nicht nur für die Reichen“.
Als Jorge Bergoglio 2013 Papst wurde hatte Erica Rosenberg ihren argentinischen Landsmann bereits mehrere Male getroffen und dachte sich: „Franziskus hat den starken Willen etwas zu verändern.“ Immer wieder kritisierte er in seinen Predigten in der Kathedrale die Korruption im Lande. „Das passte den argentinischen Politikern gar nicht – insbesondere Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner hat Bergoglio das Leben wirklich schwer gemacht“, weiß Rosenberg.
Auch Bergoglios Verhältnis zur argentinischen Militärdiktatur behandelt das Buch. Rosenberg hatte mit einigen Seminaristen von damals gesprochen, denen Jorge Bergoglio nach ihrer Meinung das Leben gerettet habe. Für die deutsch-jüdische Autorin aus Buenos Aires ist klar, dass „die Vorwürfe nicht stimmen“. „Jeder ist Abbild Gottes, ob gläubig oder nicht.“
Einen großen Verdienst Bergoglios sieht Rosenberg in seinem Bemühen um den interreligiösen Dialog. Und sie erinnert an die historische Umarmung Franziskus mitRabbi Skorka und dem IslamgelehrtenAbboud an der Klagemauer in Jerusalem. Beide sind Freunde aus der Zeit in Argentinien. Mit Rabbi Skorka hat Bergoglio noch zu seiner Bischofszeit das Buch „Über Himmel und Erde“ verfasst.
Die Frage, wie oft Rosenberg Bergoglio getroffen hat, kann sie nicht genau beantworten. Mindestens ein gutes Dutzend mal. Bei einer der letzten Treffen, einer Generalaudienz in Rom, hat er dann gesagt: „Erika, ich glaube, Sie haben jetzt alles fertig für Ihr Buch.“
Foto: Cover Herbig Verlag
Erika Rosenberg