Donnerstag, 22. November 2012

Die unterschätzte Lebensretterin

Fürstenwalde (MOZ) Lange unterschätzt und wenig beachtet wurde Emilie Schindler. Dabei war die Ehefrau des Unternehmers Oskar Schindler an der Rettung Tausender Juden und politisch Verfolgter im Zweiten Weltkrieg maßgeblich beteiligt. Beim "Treff im Dom" am Dienstagabend stellte Autorin Erika Rosenberg einiges richtig.

Handsigniert: Autorin Erika Rosenberg (l.) schrieb Zuhörerin Regina Lorius eine Widmung ins Buch.© MOZ/Lea Sophie Lukas
Bevor sie anfängt aus ihrem Buch über Emilie Schindler vorzulesen, betont Erika Rosenberg eine wichtige Tatsache gleich mehrmals. "Die Schindlers haben sich nie scheiden lassen", sagt sie. Das Publikum solle das bitte im Hinterkopf behalten. Weshalb? Sie werde später darauf zurückkommen. Mehr als 50 Frauen und Männer sind am Dienstagabend in den Dom gekommen, um Erika Rosenberg, selbst Kind jüdischer Eltern, Übersetzerin und Schriftstellerin, zuzuhören. Die Familie der heute 62-Jährigen floh vor den Nazis nach Südamerika. Als Erwachsene begann Erika Rosenberg mit der Aufarbeitung der Geschichte - und stieß bei ihren Recherchen auf Emilie Schindler.
"Sie wurde meine beste Freundin. Es war wie Liebe auf den ersten Blick", sagt Erika Rosenberg. Emilie Schindler sei eine mutige Frau gewesen, habe nie im Schatten ihres Mannes, sondern stets an dessen Seite gestanden. Nur gemeinsam sei es dem Paar während des Zweiten Weltkrieges gelungen, mehr als 1200 Juden sowie Hunderte Sinti, Roma und andere politisch und religiös Verfolgte durch die Arbeit sowie Unterbringung in ihren Fabriken vor den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten zu retten.
Etwa anderthalb Stunden spricht und liest Erika Rosenberg im Dom über das, was sie in den stundenlangen Gesprächen mit ihrer Freundin Emilie erfahren hat. Es wird ein persönlicher Vortrag, manchmal mit Witz, manchmal berührend. "Toll, dass sie sich als Jüdin so dafür einsetzt, dass Emilie Schindler wirklich gewürdigt wird", sagt hinterher Dirk Lohrengel. Der 57-jährige Fürstenwalder kannte zuvor den Oscar-gekrönten Hollywood-Film "Schindlers Liste" von Steven Spielberg. Ehefrau Emilie durfte darin allerdings nur eine Nebenrolle einnehmen. "Schade, dass Spielberg bestimmte Dinge einfach ignoriert hat."
So denkt auch Sabine Müller, die den Vortrag im Dom ebenfalls mit Interesse verfolgt hat. Der Film habe sie zwar beeindruckt. "Aber es ist schockierend, wie oberflächlich dafür offenbar recherchiert wurde. Ich finde es wichtig, dass die Hintergründe geklärt werden", sagt die 69-Jährige. Erika Rosenbergs Darstellung der unterschätzten Emilie Schindler habe ihr daher gefallen.
Bevor am Schluss noch Zeit bleibt, um Fragen zu stellen, klärt Erika Rosenberg auf, weshalb es so wichtig ist, dass das Ehepaar Schindler am Ende zwar getrennt lebte, sich aber nie hat scheiden lassen. Der Spielfilm "Schindlers Liste" habe zwar vieles verzerrt dargestellt, Millionen spielte er trotzdem ein. "Tantiemen hat Emilie nie erhalten", sagt Erika Rosenberg. Begründet habe die Produktionsfirma das mit der Ausrede, sie sei von ihrem Mann schließlich geschieden gewesen. Emilie Schindler starb 2001.
Eine Ausstellung über die Schindlers hat Erika Rosenberg der Domgemeinde überlassen. Sie kann bis 18. Dezember besichtigt werden.