„Gegen das Vergessen unbesungener Helden“
Erika Rosenberg, die Biographin von Emilie und Oskar Schindler, hat zwei Leistungskurse Geschichte am Eifel-Gymnasium Neuerburg besucht und mit den Schülern über das Ehepaar gesprochen, das zur NS-Zeit mehr als 1200 Juden das Leben gerettet hat.
Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wollte man in Deutschland weder über den Krieg noch über den Nationalsozialismus sprechen. Die Verbrechen der nationalsozialistischen Diktatur wurden weder von Tätern noch von Opfern thematisiert, sondern zu einem gesellschaftlichen Tabu-Thema par excellence. Ähnliches gilt auch für die Familie von Erika Rosenberg, einer deutschen Journalistin, die als Tochter jüdischer Eltern 1951 in Argentinien geboren wurde, nachdem diese 1936 über Paraguay nach Argentinien vor der Verfolgung in Deutschland geflohen waren. Rosenberg wollte das Schicksal zahlreicher Einwanderer nach Argentinien literarisch aufarbeiten, doch dann lernte sie 1990 Emilie Schindler, die Witwe des berühmten Oskar Schindler kennen.
Berühmt Spielbergs "Schindlers Liste"
Berühmt geworden ist vor allem Oskar Schindler, der mehr als 1200 Menschen vor dem Tod durch die nationalsozialistischen Verbrechen rettete. 1967 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, wurde Schindler vor allem durch die Verfilmung seines Wirkens durch Steven Spielbergs "Schindlers Liste" prominent. Dieser Film schlug hohe Wellen, machte er doch auf ein ungeliebtes Thema aufmerksam, indem er die Schrecken des faschistischen Deutschlands eindrücklich illustriert.
Schindler verprasste zwischen 1927-1935 zunächst die Mitgift seiner Frau, bis er 1935 als Abwehrchef und Agent der Wehrmacht arbeitete. 1939 kam er nach Krakau und kaufte eine stillgelegte Fabrik, baute eine kriegswichtige Produktion auf und stellte polnische und jüdische Arbeiter ein, sodass er sie vor dem sicheren Tod im Konzentrationslager errettete. Soweit ist die Geschichte einem breiten Publikum bekannt, was nicht zuletzt Spielbergs Hollywood-Verfilmung zu verdanken ist.
Dieser Blockbuster vergisst jedoch vollständig das Wirken von Schindlers Ehefrau, Emilie Schindler, die im Film lediglich als betrogene Ehefrau des "Lebemanns" Oskar vorgestellt wird. Vergessen wird vor allem, dass Emilie schon 1939 mit ihrem Mann nach Krakau kam und entscheidenden Anteil an der Gründung der Fabrik und der Rettung der Juden vor den Nationalsozialisten hatte. Sie war drei bis vier Mal wöchentlich in der Fabrik, sammelte Überlebensnotwendiges für ihre jüdischen Arbeiter und sorgte sich auch um ihre Angestellten in dieser hoffnungslosen Zeit, wenn sie sich beispielsweise entgegen ihrer religiös begründeten Frömmigkeit für eine Schwangere einsetzte, die ihre Schwangerschaft abbrechen konnte, da diese ihr sicheres Ende bedeutet hätte.Die Überlebenden sollten später bestätigen, dass das Ehepaar Schindler alles getan hätte, um ihre "Leute" zu retten und SIE ebenso großen Anteil an deren Rettung hatte wie ER.
Zur Statistin degradiert
Entsprechend desillusionierend muss die Spielberg-Interpretation wahrgenommen werden, denn dieser rückt lediglich Oskar Schindler in den Mittelpunkt. Frühere Filmideen, wie beispielsweise die von Fritz Lang oder einer Version, in der Romy Schneider als Darstellerin für Emilie Schindler vorgesehen war, hätten Emilie die verdiente Hauptrolle zugewiesen, wurden aber nie realisiert. Stattdessen wurde Emilie Schindler zur Statistin degradiert und von Spielberg 1993 nach dem Filmdreh als "gerettete Jüdin" mit ihrem "Ehemann" zur feierlichen Gala-Vorstellung des Films eingeladen. Für Spielberg waren die Geretteten die Helden, nicht aber die Schindlers selbst und offenbar am wenigsten die starke Frau neben Oskar, Emilie Schindler.
Beiden ist die Rettung hunderter Leben aber gleichzeitig zu verdanken, sodass ihre "unbesungenen Heldentaten" im Gespräch mit Erika Rosenberg zumindest am Eifel-Gymnasium Neuerburg in einem zweistündigen Gesprächskreis der Leistungskurse Geschichte der Jahrgangsstufe 12 (Frau Marx) und 13 (Frau Dr. Becker) mit Frau Rosenberg entsprechend gewürdigt und herausgestellt wurden - "gegen das Vergessen"!
(Text: Dr. Susanne Becker, Foto: Eifel-Gymnasium Neuerburg)