Erika Rosenberg berichtete im Neuen Gymnasium über die Frau von Oskar Schindler - 22.11.2012
Nürnberg - "Hinter einem großen Mann steht immer eine besonders starke Frau", verkündet die Historikerin Erika Rosenberg. Die Rettungsaktion des Oskar Schindler, der 1100 Juden vor dem KZ bewahrte, ist erst durch den Film "Schindlers Liste" in das allgemeine Bewusstsein gedrungen. Doch seine Frau Emilie Schindler steht weiter im Schatten der Geschichte. Erika Rosenberg brachte ihre Verdienste den Zuhörern im Neuen Gymnasium Nürnberg (NGN) in einem Vortrag näher.
Eine Szene aus dem Spielberg-Film „Schindlers Liste“.
"Vernichtung — Verantwortung“ hatten 14 Zwölftklässler des NGN einen Filmtag organisiert. Das Schwergewicht lag auf „Schindlers Liste" von Steven Spielberg. Die argentinische Historikerin und Journalistin Erika Rosenberg, selbst Kind ausgewanderter jüdischer Eltern, hatte 1990 Emilie Schindler in Buenos Aires getroffen. In Interviews sprach Emilie 70 Stunden lang ihre Erinnerungen auf Kassette. Ergebnis der Recherchen waren drei Bücher.
Erika Rosenberg kannte Emilie Schindler sehr gut, die Frau von Oskar Schindler.
„Oskar war ein Carpe-Diem-Mensch, er liebte Autos und Frauen; Emilie war ganz anders, sie war in einem Nonnenkloster erzogen worden“, referiert Rosenberg. Die Gegensätze ziehen sich an, früh schon heiraten die beiden, und Oskar tut das ihm Gemäße: Er gibt die Mitgift für einen Luxuswagen aus.
1935 spioniert Oskar Schindler für den Geheimdienstchef Wilhelm Canaris in der Tschechei, wird 1938 enttarnt und entgeht nur knapp der Hinrichtung. Canaris wiederum wird zur Anlaufstation für jüdische Veteranen des Ersten Weltkriegs, denen er Schutz und Unterstützung gewährt. Nun beobachtet Schindler die Verbrechen der SS und der SiPo in Böhmen und Mähren und meldet sie an Canaris.
Im Oktober 1939 übernimmt Schindler eine in Konkurs gegangene Emaillefabrik, expandiert und beschäftigt Hunderte Juden aus dem Arbeitslager Plaszow. Die Gräuel, die der Film schildert, sind keineswegs übertrieben.
1941 stellt Schindler die Produktion auf Patronen- und Granathülsen um. Er richtet in seiner Fabrik Wohnbaracken mit Küche und Krankenstation ein, wird dreimal wegen Fraternisierung mit den Juden verhaftet, kommt jedoch dank seiner Beziehungen wieder frei.
Als im August 1944 das Lager Plaszow geschlossen wird, sollen die Internierten nach Auschwitz in den sicheren Tod deportiert werden. Oskar Schindler, dem ein Werk in Brünnlitz angeboten wird, beansprucht die Juden als Arbeitskräfte für sich. Es entsteht die Liste mit den 1100 Namen. „An deren Erstellung hat allerdings nicht Schindlers Buchhalter Itzhak Stern mitgewirkt, wie der Film zeigt, sondern Marcel Goldman“, berichtigt Erika Rosenberg. „Der war ein Ordnungsmann, also ein Kapo.“
Im Winter 1945 rettet Emilie Schindler 120 fast verhungerte Häftlinge vor dem sicheren Tod. Die Deportierten waren von einer anderen Fabrik abgewiesen worden und beinahe von ihren Wachen erschossen worden. Emilie päppelte sie, so gut es ging, in ihrer Fabrik wieder auf. „Ich frage mich, warum Hollywood sich damit nicht beschäftigt hat“, wundert sich Rosenberg.
Oskar und Emilie Schindler gelingt das Unvorstellbare, sie bringen ihre Juden — „die Schindlerjuden“, wie sie später genannt werden — in Sicherheit. Ihr Vermögen — nach heutigem Wert 26 Millionen Euro — hat Schindler für Bestechungen ausgegeben.
Nach dem Krieg wandern die Schindlers nach Argentinien aus, wo sie eine kleine Farm betreiben. Ende der 50er Jahre zieht Oskar nach Deutschland zurück, um eine Lastenausgleichsentschädigung zu erhalten. Dies zieht sich jedoch länger hin, die Liebe erkaltet, so bleibt Oskar in Deutschland und Emilie in Argentinien, obwohl die Scheidung nie vollzogen wird. 1974 stirbt Oskar Schindler; Emilie erfährt davon erst aus der Zeitung.
Der Film „Schindlers Liste“ hat eine lange Vorgeschichte. Schindler versucht bereits 1951, den Regisseur Fritz Lang für eine Verfilmung zu interessieren. Der antwortet, er sei vom Stoff fasziniert, „aber welcher Amerikaner will einen Film über einen guten Deutschen sehen?“ 1963 ergibt sich wieder ein Kontakt zu Hollywood, Schindler schreibt selbst das Drehbuch, die MGM engagiert Richard Burton und Romy Schneider, doch 1967 liegt das Projekt auf Eis und wird vergessen.
Im Mai 1993 erhält die 86-jährige Emilie Schindler eine Einladung nach Jerusalem. Dort will Steven Spielberg die Schlussszene am Grabe Oskar Schindlers drehen. Der sehr formal gehaltene Brief nennt Emilie eine Gerettete statt Retterin und lädt sie „und Ihren Gemahl“ zur Dreharbeit ein. Zusammen mit Erika Rosenberg fliegt sie nach Jerusalem. Abends gibt es einen Gala-Empfang für alle Schindlerjuden. Niemand erkennt sie, erst als die erschöpfte Emilie schon gehen will, spricht sie ein älterer Herr an: „Sie waren unsere Mutter. Bitte bleiben Sie.“ Da erst wird sie erkannt.
„Nach zwanzig Minuten kam dann Steven Spielberg“, erzählt Rosenberg. „Ich dachte, jetzt entschuldigt er sich. Aber er blieb zehn Meter vor uns stehen, lächelte alle an, drehte sich um und ging wieder.“ Auch bei den Dreharbeiten auf dem Friedhof kam es zu keinem näheren Kontakt. „Ich denke, die Menschen in Hollywood verlieren den Bezug zur Realität oder leben in einer ganz anderen Welt“, resümiert die Historikerin. „Später wurde mir klar, dass die wahren Helden im Film nicht die Schindlers waren, sondern die Geretteten.“
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Emilie Schindler lebte von dürftigen Ehrensolden und Spenden. „Schindlers Liste“ wurde ein großer Erfolg, einen Anteil daran bekam die Witwe angeblich nicht, dafür aber eine Bilanz der Filmgesellschaft Universal, demnach der Film einen Verlust von 13 Millionen Dollar erzielt habe. Eine Szene, in der Emilie eine große Rolle gespielt habe, sei gedreht, aber nicht verwendet worden. Auf Erika Rosenbergs Anfrage erwiderte der Produzent Branko Lustig: „Es war einfach unrentabel.“
Emilie Schindler zog im Jahr 2001 nach Bayern, wo sie im Oktober desselben Jahres starb. Ihr Grab liegt auf dem Friedhof von Waldkraiburg.