Erika Rosenberg
Vom Lebemann zum Lebensretter
Über seine Beweggründe, als Fabrikbesitzer und Lebemann, der gerne das schöne Leben genoss, den jüdischen Arbeiterinnen und Arbeitern zu helfen, forschte die Biografin Erika Rosenberg viel nach. Bei der Veranstaltung „Erzählte Geschichte“ im Haus der Geschichte in St. Pölten las sie unter anderem einen Brief Oskar Schindlers vor, der mehr Klarheit über seine Motive brachte.
„Ich habe gemeinsam mit Freunden der Grenze zustrebende Juden in meinem Autokoffer verstaut, um diese dann an der Grenze freizulassen, so umgingen die armen Fliehenden, Schikanen der Sicherheitspolizei und Grenzpolizei. Ob die Ursache zu derartigen Handlungen meine schon damalige Abneigung gegen die SS war oder eine innere Verpflichtung eingedenk meiner jüdischen Mitschüler und Jugendfreunde, mit welchen ich meine herrlichen Jugendjahre verlebte - wahrscheinlich das Letztere“, zitierte Biografin Erika Rosenberg Oskar Schindler.
Emilie: Mutig, couragiert und mit großem Herzen
Oskar Schindler hätte das alles aber nicht ohne seine Frau Emilie geschafft. „Sie war eine mutige, couragierte Frau mit einem riesigen Herzen, einer gute Seele und selbstlos. Ihr Anteil an der Rettung der jüdischen Arbeiter war ebenso groß, wie jener Oskar Schindlers“, erklärte Rosenberg. Doch ihr Leben mit Oskar Schindler war alles andere als einfach. In ihrer Ehe gab es viele Probleme. „Sicher, er war ein Lebemann, er hat sie wochenlang allein gelassen, er hat sie belogen und betrogen. Aber sie hat alles erduldet und hat trotz allem Menschen geholfen, unterstützt und Schutzsuchende auch gerettet. Genau wie Oskar Schindler“, betonte Rosenberg.
Erika Rosenberg
Die Historikerin Erika Rosenberg wurde in Argentinien geboren. Ihre jüdischen Eltern waren 1936 vor den Nationalsozialisten geflüchtet. 1990 traf Erika Rosenberg im Zuge einer Recherche über die Auswanderung von Juden nach Argentinien Emilie Schindler. Für sie war diese Frau etwas ganz besonderes und entstand eine sehr tiefe, persönliche Beziehung. „Sie war nämlich die Frau, mit der ich den Weg der Versöhnung gehen konnte. Denn mit ihr haben wir der Welt gezeigt: Versöhnung ist möglich. Sie war die Frau, die Juden gerettet hatte und ich war die Tochter von verfolgten Juden.“
Erika Rosenberg
Erika Rosenberg erklärte bei der Veranstaltung auch ihr Engagement und ihre Ziele, die ihr in ihrer Arbeit als Biographin wichtig sind. „Ich plädiere für Frieden, für Toleranz und gegen Rassismus jeder Art. Für mich existiert der Mensch unabhängig von Staatsangehörigkeit, von Religion, von Farbe. Das sollten wir nun auch endlich einmal verstehen. So wie es Emilie Schindler nicht nur verstanden, sondern auch gelebt hat“, ergänzte sie.
Emilie Schindler hat sich gemeinsam mit ihrem Mann Oskar nach dem Kriegsende sehr schwer getan. Beide flüchteten nach Argentinien, dort erlitten sie aber mit diversen Projekten Schiffbruch. Ihr Mann verließ sie, ging nach Deutschland und kehrte nie wieder zurück. Emilie Schindler starb schließlich am 5. Oktober 2001 nach einem Schlaganfall in einer Klinik bei Berlin. Das Leben dieser beiden außergewöhnlichen Menschen wurde von Steven Spielberg im Film „Schindlers Liste“ (1993) verfilmt. Im Mittelpunkt stand bei diesem Film allerdings nur Oskar Schindler. Über Emilie erfuhr das Publikum nichts.
ORF
Die Biografin Erika Rosenberg
Erika Rosenberg hat Bücher über Che Guevara, Schwester Restituta, Franz Kafka, Sigmund Freud und Papst Franziskus geschrieben. Und sie ist die Nachlassverwalterin von Emilie und Oskar Schindler. Im Rahmen einer Europa-Reise war die argentinische Journalistin, Autorin, Dolmetscherin und Übersetzerin Dienstagabend im Zeitzeugen-Forum „Erzählte Geschichte“ im Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich zu Gast.