Freitag, 2. Dezember 2022

Ausgezeichneter Artikel in der FReien Presse, Netzschkau, Oberschule im Vogtland. Excelente art. en un periódico de Sajonia


Projekt bringt Netzschkauer Schüler live nach Mexiko

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Warum Oberschüler Kontakt zu Menschen im Ausland aufnehmen, die mit dem Holocaust konfrontiert waren.

Netzschkau. 

Die Uhr zeigt 13.05 Uhr mitteleuropäischer Zeit. In Mexico City ist es gerade kurz nach sechs Uhr. Trotzdem klingelt bei Luis Adalbert Berlanga Albrecht das Telefon. "Der Teilnehmer ist offline" erscheint beim ersten Versuch auf dem Whiteboard im Mehrzweckraum der Netzschkauer Oberschule. Doch die acht Schüler der 10. Klasse geben nicht auf. Beim zweiten Versuch klappt die Verbindung.

Der Mann im fernen Mexiko bringt gerade seinen fünfjährigen Sohn Leo zum Kindergarten und geht online. Für die Schüler begrüßt Elaine Baartz den Professor. Die Spanisch-Übersetzung hat Erika Rosenberg übernommen. Sie hat den Schülern in ihrem fünften Projekt an der Netzschkauer Oberschule die Kontakte zu Zeitzeugen vermittelt. Die in Argentinien lebende Biografin von Emilie und Oskar Schindler sowie weiterer an der Rettung von Juden vor dem sicheren Tod beteiligter Persönlichkeiten ist Nachfahrin von Holocaustüberlebenden. Sie kennt den Mexikaner, dessen Wurzeln in Svitavy/Zwittau, einer Stadt im heutigen Tschechien, liegen. Seine Familie hatte dort ein Unternehmen. "Tante Hilde" arbeitete für Oskar Schindler, dessen Fabrik von Krakau aus ins mährische Brünnlitz im Bezirk Zwittau verlegt wurde. Hilde, das war die Geheimagentin Brunhild Ottilie Albrecht Fossel, eine Geliebte und Vertraute von Oskar Schindler. Sie rettete 300 Juden vor den Gaskammern in Auschwitz. Ihre Geschichte hatte Erika Rosenberg von Emilie Schindler erfahren und in einem englischsprachigen Buch aufgeschrieben. Der Neffe las dieses Buch und meldete sich bei ihr. "Ich habe den ersten Teil aufgeschrieben, er kannte den zweiten Teil der Biografie. So konnten wir alles zusammenführen", erklärt Erika Rosenberg den Schülern. Das Gespräch mit dem Neffen war der Höhepunkt ihrer Beschäftigung mit der Geschichte dieser Frau, der die Flucht nach Mexiko gelang, nachdem sie von den Russen 1945 verhaftet worden war.

Der Professor aus Mexico City erzählte den Schülern während der Fahrt zur Universität von seiner Tante und Familienmitgliedern, die nie richtig über die Vergangenheit gesprochen hätten. Erst nach deren Tod erforschte er die Familiengeschichte. Dass die Vergangenheit längst nicht vorbei ist, spürte er bei einem Besuch in Zwittau. An der einstigen Villa Albrecht fühlte er aber auch die Familienbande, die ihn mit der damals unter deutscher Fahne stehenden Stadt und dem früheren Familienbesitz verbinden. "Ich bin Mexikaner und lebe in Mexiko, meine Wurzeln sind in Zwittau und ich habe die Werte meiner Familie aus Europa geerbt", sagte er. Die Werte, die Erika Rosenberg mit Freiheit, Gerechtigkeit, Respekt, Zivilcourage und weiteren Schlagwörtern verbindet, hält er für unheimlich wichtig. Allerdings sei es für ihn schwer, sie in seiner Umgebung zu pflegen. Den Jugendlichen gab er mit auf den Weg, diese Werte zu erhalten. Er beendete das Gespräch mit dem Dank an Erika Rosenberg, die Brücken zwischen den Generationen baut und dafür sorgt, dass die Geschichte seiner Familie nicht vergessen wird. Zum Abschied und als Symbol schickte er Fotos von seinem Sohn.

In der Zwischenzeit hatten vier andere Schülergruppen Ergebnisse ihrer Arbeit präsentiert. Auch sie hatten Telefonkontakte zu Zeitzeugen, zum Beispiel aus der Schweiz oder aus Spanien. Am Nachmittag folgte ein Gespräch mit der Schulleitung, in dem Schritte für eine Schulpartnerschaft mit einer Schule aus Buenos Aires/Argentinien besprochen wurden. "Zuerst wollen wir Kontakte aufbauen. Durch die Englischkenntnisse und das Internet können wir uns weltweit verständigen. Es ist gut, wenn die Welt wieder näher zusammenrückt", meinte Schulleiter Michael Lauer.