Donnerstag, 23. Juni 2022

Abschied von Berlin. Eindrücke, Erlebnisse, Enttäuschungen. Ist die Erinnerungskultur einfach Heuchelei??? Despedida de Berlin: Impresiones, vivencias, decepciones. Es la cultura de la memoria sólo una hipocresía???



In Kürze werden wir Berlin verlassen. Unser ICE nach München fährt von Berlin tief um 12.33 Uhr ab. Gestern konnten wir die letzten zwei Platzreservierungen im ganzen Zug ergattern. Wir haben Glück, wenn man so etwas Glück nennen kann. Nach so vielen Veranstaltungen mit so vielen Eindrücken, Erlebnissen braucht man bestimmt  eine lange Zeit um alles  verarbeiten zu können, wenn überhaupt alles. So wie ich voller Erwartungen und Freude gekommen bin, gehe ich mit einem bitteren Geschmack im Mund, so verlasse ich heute die Heimatstadt meines Vaters und seiner Familie. Eine gewisse Enttäuschung in meinem Herzen drückt, wird aber bald, nämlich in wenigen Minuten Luft bekommen, wenn ich in das Rathaus anrufe.
Da wir gestern ein paar freie Stunden hatten, beschloss ich durch die Stadt zu bummeln und die Berliner Luft zu atmen. Unser Weg führte uns zu  vertrauten Plätzen, Brandenburger Tor, Reichstag, dem Deutschen Volke, Unter den Linden, das Deutsche Historische Museum, Alexander Platz, Museumsinsel, Spree und dann zum Schluss die Littenstraße 2, einst Wohnsitz meines Vaters, dort betrieb er seine Kanzlei als Jurist, und sein Bruder Felix Band als Rechtsbeistand. Da das Gebäude riesig war, haben ihre getrennten Wohnungen  auf einem anderen Stockwerk gehabt, so viel wie ich weiß. Nach dem Erlassen der Nürnberger Gesetze 1935 , verfolgt und ausgeschlossen waren Sozialisten, Kommunisten, Homosexuelle und Juden, durften mein Vater Dr. Benno Band, mein Großvater Norbert Band, er war Notar, und Rechtsbeistand Felix Band nicht mehr arbeiten dürfen. Meinem Vater gelang es nach Südamerika unter schrecklichen Umständen auszuwandern, der Rest der Familie blieb in Berlin mit der Illusion, der Hoffnung, der Nazi Spuk würde bald untergehen. 1938 kam die Gestapo und  verhaftete meinen Großvater Norbert zusammen mit Sohn Willy, 1940 verhaftete die Gestapo Felix und wurde nach Sachsenhausen gebracht, wo er einige Monate später verstarb. Teil der Dokumente, der Geschichte konnte ich  dank Dr. Coppi, ehemaliger Leiter der Gedenkstätte Sachsenhausen. rekonstruieren . Die Perversion der Nazis kannte keine Grenzen, denn sie ließen die Leiche von Felix im Krematorium einäschern und dann benachrichtigten seine Braut Rosa Rachel Reichel, damit sie die Urne .für 3 RM ankaufte. Die Braut tat  es und brachte die Urne ans Grab meiner Großmutter Helene Band auf den Friedhof Weißensee. Im Jahre 2000 war ich zum ersten Mal auf dem Friedhof und suchte nach dem Grab von meiner Oma, ohne  noch es zu wissen, dass Felix auch im Grab war. Ich fand das Grab, stellte einen Blumentopf und das wurde zum Ritual jedesmal, wenn wir in Berlin waren. 2003 fand ich eine kleine Gedenktafel mit dem Namen von Felix am Grab, mich überraschte und  erkundigte mich in der Verwaltung. Mir wurde von einem Herrn Pohl mittgeteilt, die Stadt Berlin  hätte es gemacht für alle diese Tote in der Zeit des Nationalsozialismus.
Inzwischen lernte ich Herrn Gunter Demnig und sein Projekt "Stolpersteine". Ich ließ einen Stolperstein für Onkel Felix an der Littenstraße 2 verlegen, es war nicht möglich auf diesem Platz, sondern an der Ecke, weil die Bewohner des Gebäudes es nicht mochten. Ich war damit einverstanden. Ein Jahr danach kamen wir nach Berlin wieder anlässlich einer Vortragsreihe. Wie üblich besuchte ich meine Großmutter am Grabe und ging zur Littenstraße, machte selber Fotos von dem Stolperstein. Am nächsten Jahr kehrten wir  nach Berlin wieder. Das Gebäude , wo meine Familie gewohnt hatte, wurde saniert, es war eine riesige Baustelle. Die Stolpersteine war weg. Ich schrieb an den zuständigen Bauunternehmer und fragte  nach dem Stolperstein. Das Argument der Firma war, vorübergehend  weggenommen, aber  nach der Fertigung der Sanierung selbstverständlich würde der Stein wieder verlegt. 
Inzwischen geschahen 5 Jahre und wir  kamen nach Berlin nicht wieder bis jetzt. Gestern waren wir wie üblich  an der Ecke Littenstraße , Voltairestraße um zu sehen, ob das Versprechen der Baufirma  realisiert wurde. Große Überraschung und Enttäuschung, der Stolperstein ist verschwunden, weder rechts, noch links, gegenüber auch nichts zu finden. 
Soeben habe ich  mit einem Herrn Fäller von der Bürgerberatung gesprochen und er versprach mir einige Angaben per Email zu senden an wen ich mich wenden kann, Stolperstein Koordinierungsstelle Berlin, Bezirk, Friedhof. . . Ich lasse mich nicht unterwerfen, ich werde um meine Rechte und um die Gerechtigkeit der Dinge weiter kämpfen.