Kempten – „Die Hirten brauchen Schafe und die Schafe etwas zu fressen“, sagte IG-Für-Gründer, Weltverbesserer und Autor Georg Sedlmaier einst zu einem Theologen am Stand des Vatikans bei der Frankfurter Buchmesse.
Die Reaktion des Priesters damals: „Mit Essen haben wir nichts zu tun.“ Dass die profan erscheinende Nahrung für Religionen aber doch wichtig sind, zeigt Sedlmaiers sechstes Buch „Ist Essen Religion?“, das er am Dienstag vorstellte.
13 internationale Persönlichkeiten aus dem Judentum, dem Buddhismus, dem Islam, der katholischen und der evangelischen Kirche hat er dafür gewinnen können. Sie haben Aufsätze zum Thema Ernährung aus Sicht der Weltreligionen verfasst. „Ich bin selber überrascht über das Buch“, sagt der Herausgeber über das Ergebnis.
Prof. Erika Rosenberg schrieb ein Kapitel zu den jüdischen Speisegesetzen. Georg Sedlmaiers Namensvetter Universitätsprofessor Dr. Franz Sedlmeier gibt einen Abriss über die Essgewohnheiten und Nahrung in alttestamentarischer Zeit. Einen Einblick über die Nahrungsmittel als Heilmittel, wie sie Hildegard von Bingen einsetzte, gewährt die Referentin der Kemptener Gemeinde Sankt Lorenz, Birgit Schüßler.
Sie war zusammen mit den beiden anderen Kemptener Autoren bei der Buchvorstellung von Sedlmaiers neuem Buch „Ist Essen Religion?“ dabei: Der Kemptener Pfarrer Rupert Ebbers beschreibt den Alltag und den bedachten Umgang mit Lebensmitteln in einem Benediktiner Kloster. Und auch Dekan Dr. Bernhard Ehler hat einen Beitrag verfasst. Er erklärt, dass Jesus genau wie Brot und Wein einen Hunger stillen könne, nämlich den nach geistiger Nahrung, nach Größerem. „Lebensmittel haben Zeichencharakter“, sagt Ehler bei der Buchvorstellung.
Die Essenz, die durch viele Beiträge dringt, ist der bewusste und genussvolle Umgang mit Lebensmitteln und der Respekt vor Kuh, Schwein, Regenwurm und Gras. Interessant sind hier die Gemeinsamkeiten zwischen den Essensregeln des Judentums, den Aussagen Buddhas, dem christlichen und auch dem muslimischen Glauben. Dr. Ibrahim Abouleish zum Beispiel zitiert Koranverse, die die Achtung der Schöpfung als ein wichtiges Prinzip erheben.
Den Zeigefinger will Sedlmaier allerdings nicht recken. „Jeder Leser soll sich selbst die Botschaft aus dem Buch ziehen, die wissenswert für ihn ist“, sagt er. Denn Religionen sei hier – im Gegensatz zu vielen Veganern und Vegetariern – ein Dogmatismus fern. Es gehe um das rechte Maß, erklärt Dekan Ehler.
Das Buch hebt die aktuelle Diskussion um nachhaltige Landwirtschaft und die Aufgabe der Welternährung auf eine andere Ebene. Es kann sowohl Anstöße, als auch interessantes Hintergrundwissen bieten. Aber auch in theologischer Hinsicht ist der Sammelband lesenswert.
Den Erlös will Seldmaier wie bei seinen vorigen Veröffentlichungen SOS-Kinderdörfern in Afrika und der IG FÜR...gesunde Lebensmittel zugute kommen lassen.
Bleibt nur noch eine Frage: Ist Essen nun Religion? „Das sollen diejenigen herausfinden, die das Buch lesen“, schmunzelt Sedlmaier. Und Dekan Ehler ergänzt: „Für manche schon“ und spielt dabei nicht nur auf Gemüse- und Paleo-Diät-Jünger an, sondern auch auf jene, die aus Mangel an Liebe und Geborgenheit essen. In jeder der Weltreligionen habe das Essen als „Mahl“ mit anderen auch einen Beziehungsaspekt. „Man muss auch Beziehungen pflegen“, sagt er.
Susanne Kustermann