Erika Rosenberg berichtet über das Leben von Emilie und Oskar Schindler
Grafenwöhr. (mbi) Spannend und mitreißend, durchwegs ergreifend, letztendlich aber für viele unfassbar und unbegreiflich: Der Vorlese- und Vortragsabend zum Thema „Die Schindlers – Wahrheit und Fiktion“
zeigte zahlreiche Facetten über das Leben und Wirken von Emilie und Oskar Schindler. Autor Raimund A. Mader las aus seinem Roman „Die Schindlerjüdin“. Professor Erika Rosenberg, Biographin von Emilie und Oskar Schindler, fesselte die Zuhörer mit ihrem Vortrag. Während in Raimund A. Maders Roman der Fantasie keine Grenzen gesetzt werden, wartete in Erika Rosenbergs Vortrag auf die Zuhörer die brutale Wahrheit. Erika Rosenberg traf als Journalistin der Deutschen Welle erstmals auf die für sie bis dahin unbekannte Emilie Schindler. Schnell wurde beiden Damen klar, dass es nicht bei einem einmaligen Gespräch bleiben könne. Zu viele
Gemeinsamkeiten lagen vor.
Zwei Biographien
Rosenbergs Eltern flohen 1936 vor dem Holocaust und Emilie Schindler war sozusagen „mittendrin“ gewesen. Angespornt durch die eigene Neugierde und auf der stetigen Suche
nach den eigenen Wurzeln entstanden durch Rosenberg die Biografien
„Ich, Emilie Schindler“ und „Ich, Oskar Schindler“. Bereits mit 20 Jahren heiratete Emilie ihren Oskar, der als Fabrikantensohn zunächst als Agent für das Amt Ausland/Abwehr der Nationalsozialisten arbeitete. Angetrieben
von der Hoffnung, durch den Krieg ein Vermögen zu verdienen, ging Schindler nach Krakau, um dort eine Emaillewarenfabrik zu übernehmen. Seine Arbeiter holte er größtenteils aus dem Krakauer Ghetto, später aus dem Konzentrationslager. Rosenberg referierte über ein Abendessen der Schindlers mit dem berüchtigten SSLagerleiter Ammon Göth. „Emilie berichtete mir über ihn, er war ein Hüne von Mann, einerseits ein gebildeter Musikliebhaber, ein kultureller Geist, andererseits aber eine blutrünstige Bestie und ein brutaler Mörder. In seiner Weltanschauung war ein jüdisches Leben wahrlich absolut nichts wert. Seine morgendlichen Schießübungen bestanden darin, wahllos mit dem Gewehr auf Gefangene des KZs anzulegen
und sie letztendlich aus reiner Willkür einfach abzuknallen. Ein widerlicher
Mensch, erinnerte sich Emilie. Um ihre Arbeiter aus dem Zugriff der SS zu bekommen, reifte der Gedanke, sie in der Fabrik zu kasernieren. Das war für die Schindlers aber auch sehr gefährlich, betonte Rosenberg. Eine kleine Geste der Menschlichkeit gegenüber einem Juden, Polen oder Tschechen konnte bereits ein Verhör durch die Gestapo (Geheime Staatspolizei) nach sich ziehen. Hier waren Oskars Beziehungen zur „Abwehr“ oftmals von großem Vorteil. Es dauerte bis 1942, bevor bei Schindler, der selbst Mitglied der NSDAP war, ein Umdenken einsetzte. Über 2,5 Millionen Reichsmark setzte der als Lebemann und Frauenfreund bekannte Fabrikant für die Rettungsaktionen ein.
Die berühmte Liste
In der breiten Öffentlichkeit sind diese Tatsachen erst durch Steven Spielbergs Film „Schindlers Liste“ bekannt geworden. Als 1944 die Russen immer näher kamen, sollten alle Juden nach Auschwitz verlegt werden. Aus dieser Tatsache entsprang Schindlers Idee, seine Fabrik mit in
Richtung Westen umziehen zu lassen. Es entstand die berühmte „Liste kriegswichtiger Arbeiter“. Dringend benötigte und für Deutschland unverzichtbare Metallarbeitskräfte wurden auf ihr aufgeführt, auf „Schindlers
Liste“. Bestochen durch Diamanten, Geld, Schmuck und schöne Frauen genehmigte die SS-Lagerleitung letztendlich Oskar Schindlers Vorschlag. 799 Männer und 299 Frauen fanden auf der wohl berühmtesten Liste einen Platz oder besser gesagt eine Chance auf Überleben. Schindler selbst schrieb bereits in den 60er Jahren über die Vorkommnisse ein Drehbuch. Der Filmgigant MGM zeigte Interesse und wollte Richard Burton und Romy Schneider als Hauptdarsteller verpflichten. Leider wurde dies nie umgesetzt, so Rosenberg.
Erst 1993 griff Steven Spielberg diese Geschichte wieder auf. Erika Rosenberg fand die Darstellung der Emilie Schindler in Spielbergs Film als völlig herabgestuft. Als Held und großer Menschenfreund wird Oskar Schindler heroisiert. Dabei hatte auch seine Frau sehr großen Anteil am Gelingen dieser übermenschlichen Taten. Emilie Schindler rettete im Januar 1945 nachweislich über 120 Juden vor dem sicheren Tod durch Erschießung. Nach mehreren Wochen Irrfahrt durch das bereits zusammengebrochene Dritte Reich, kam ein Judentransport in Güterwaggons vor Schindlers Fabrik an. Die Menschen waren wie Vieh in die Waggons eingepfercht, abgemagert bis auf die Knochen und kaum noch 30 Kilo schwer. Der verantwortliche SS-Offizier fürchtete sich vor dem nahenden Feind und forderte die sofortige Erschießung. Allen Gefahren trotzend wurden die 120 Menschen von Emilie
in der Fabrik aufgenommen. Die gesamte Verantwortung lag nun bei ihr. Sie pflegte die Frauen und Männer, fütterte sie und verhalf ihnen zum Überleben. Bis kurz vor Emilies Tod kamen Schreiben von geretteten Juden aus Israel und der ganzen Welt.
Zeitweise in Regensburg
Nach der Kapitulation des Dritten Reiches lebten die Schindlers bis 1949 auch in Regensburg. Eine jüdische Organisation besorgte ihnen jüdische Ausreisepapiere und einen Platz auf dem letzten Flüchtlingsschiff nach Argentinien. Dort versuchten sie, völlig mittellos, Deutschland hinter sich zu lassen und neu anzufangen. Über 45 Jahre konnte Emilie Schindler mit niemanden über ihre bewegte Vergangenheit sprechen. Ein großer Wunsch war, vor ihrem Tod noch einmal in die Heimat reisen zu dürfen. 2001 verstarb die einstige Millionärin völlig verarmt und mittellos in Strausberg bei Berlin.
Treue bis zum Schluss
Oskar Schindler starb bereits 1974 bei seiner Geliebten in Hildesheim. Er verließ Emilie 1957 als er allein nach Deutschland zurückkehrte. Trotz unzähliger Frauengeschichten und vieler Geliebten hielt sie an ihrem Oskar fest. Sie ließ sich nicht von ihm scheiden, so Rosenberg. Von den geretteten 1200 Juden leben heute über 6000 Nachkommen auf der ganzen Welt. Wilhelm Buchfelder, der Vorsitzende des Heimatvereins, bedankte sich bei den beiden Schriftstellern. Sein Dank galt auch Eckhard Bodner vom Kulturkreis Pressath und der Volkshochschule Eschenbach/Grafenwöhr für die gemeinsame Aktion.
Im Blickpunkt: „Die Schindlerjüdin“
Zwischen Geschichte und Fantasie
Grafenwöhr. (mbi). War es Mord? Eine
Leiche lag schrecklich verdreht auf dem letzten Treppenabsatz eines egensburger Wohnhauses. Der Kriminalkommissar
stieg die Treppe zur Wohnung hinauf. Auf einem unscheinbaren Papierschild fand er die Namen der Bewohner: O. und E. Schindler. Wir schreiben das Jahr 1948. Nachkriegsjahre in der Oberpfalz. Wer ist diese Familie Schindler? Was hat sie mit dem Toten zu tun? Dem Kommissar gehen viele Fragen durch den
Kopf. Mit seinem zweiten Roman gelang Raimund A. Mader ein perfekter Spagat zwischen der Aufarbeitung von wahrem geschichtlichem Hintergrund,
verbunden mit einer gehörigen Portion Fantasie und Spannung. „Eigentlich entstand der Roman um Oskar Schindler eher zufällig“, so Mader. Angeregt durch ein Gespräch mit seiner Verlagsautorin wagte sich der heute 59-jährige
Gymnasiallehrer an die geschichtsträchtige Figur, an Deutschland in der Nachkriegszeit und an die Überbleibsel aus dem ehemaligen Nazi-Regime. Im Oberpfälzer Kultur- und Militärmuseum fesselte er mit seinem Werk die Zuhörer. Mader schrieb rund 14 Monate an „Die Schindlerjüdin“. Umfangreiche Recherchen über Oskar Schindlers Leben in Regensburg (von 1947 bis 1949) waren hierfür notwendig. Steven Spielbergs Film „Schindlers Liste“ leistete ihm hilfreiche Unterstützung. Dabei legt Raimund A. Mader viel
Wert darauf, dass es sich bei seinem Roman nicht um Tatsachen sondern vielmehr um seine eigene phantasievolle Interpretation der Dinge handeln würde. Einen solchen Mord, wie eingangs beschrieben, hat es nie gegeben. Viele Anregungen für eine Fortsetzung seiner Kriminalromane erhielt er von Schindlers Biografin, Erika Rosenberg. Dem Kulturkreis Pressath und Umgebung in Zusammenarbeit mit dem Heimatverein Grafenwöhr und der Volkshochschule Eschenbach/ Grafenwöhr gelang mit dieser „Doppel- Vorlesung“ ein brillanter Abend zwischenWahrheit und Fiktion.