Littenstrasse 2, Berlin-Mitte. In diesem Haus, heute Schickler Haus, hat mein Vater Dr. Benno Band zwischen 1927 und 1935 gewohnt. Das Haus hatte den Eingang in der Littenstrasse, heute ist dort der Parkplatz des grossen Bürohaus. Zufällig traute ich mir in das Haus einzutreten. Eine nette Empfangsdame, Susanne Müller, fragte mich, wie sie mir helfen könnte. Ich erwiderte ein bisschen aufgeregt und nervos: "Mein Vater hat hier früher, sehr früher gewohnt, im zweiten Stock, wenn ich mich noch an Vaters Erlaüterungen erinnere". Frau Müller sagte zu mir, das Haus wird am 3.Dezember des Jahres 100 Jahre alt sein und die Verwaltung sucht Auskunft für eine Dokumentation. . . Es läge nichts vorhanden. Plötzlich überlege ich und denke an Eistein´s Spruch: Es gibt keine Zufälle, nur noch Kausalitäten.
Ich denke darüber nach, kann in der Nacht nicht mehr richtig einschlafen. Gedanken kommen, Gedanken gehen. Mein Vater erzählte damals und beschrieb sehr gut das Haus : "Unweit und rechts auf der Littenstrasse lag das Amtsgericht an einer Ecke, links und über die Strasse schlengelte die Spree. Schräg gegenüber stand eine Kirche und ganz hinten ragte die Turmuhr des Roten Rathauses auf. . .
Ich erinnerte plötzlich, ich hätte von dieser Turmuhr schon als Kind vielmals geträumt.
Zum erstenmal war ich in Berlin 1972. Damals mussten wir mit der S-Bahn von dem Zoologischen Garten bis Friedrichstrasse über Karl -Marx fahren. Dann kamen die Kontrolle: "Woher kommen Sie? Was wollen Sie in Ost-Berlin machen. Sie dürfen nur 24 Stdn. bleiben. Sie müssen Geld wechseln und dürfen keine Schundliteratur wie z.B Spiegel oder Zeitungen aus dem Westen mit tragen. . ."
Gegenüber der Friedrichstrasse und unweit von dem Intershop stand eine Touristeninformation: Eine Dame angezogen mit einer weissen Bluse und einen dunklen Rock lächelte mich höflich an: "Ja, bitte. . ." "Ich suche die Littenstrasse 2. . ." Sie zeigte mir die gewünschte Strasse auf einem Stadtplan. Was danach geschah war wie ein Wunder, ich ging begleitet von meinem treuen und loyalen Mann José, die Strassen lang als ob ich dort immer gewesen wäre. Genetisches Gedächtnis? Zufall, Kausalitätt? Ich rationalisiere nun nicht mehr, ich nehme die Sachen halt wie sie sind.
Die Erläuterungen meines Vaters klangen noch in meinen Ohren. Amtsgericht, alte Kirche, Spreeufer. Plötzlich standen wir auf der Littenstrasse! es war ein Triumph für uns kommend aus Argentinien, die Strasse gefunden zu haben und nach zo kurzer Zeit. Vor Nummer 2 haben wir gestanden. ich berührte die Wände des Hauses, das grosse Tor und blieb lange davor stehen, als ob in einen Zeittunnel rein schleichen wollte. Fotos haben wir gemacht, haben heute einen Ehrenplatz in alten Familienalben. Als unser Sohn Eric geboren wurde, waren wir mit ihm auch mehrmals in der Littenstrasse. Ich habe ihm stolz das Haus meines Vaters gezeigt. Pardon, das Haus, wo mein Vater bis 1935 gelebt hatte.
Im Oktober nächstes Jahres wird ein Stolperstein dort verlegt. Ein Stolperstein, der an die Familie Band erinnern sollte. Es ist nur etwas Symbolisches, es ist die letzte Handlung, die ich für meine Familie machen kann. Ich bin nämlich die noch lebendige Brücke zwischen der Vergangenheit und Gegenwart und beides bilden auch die Zukunft.