Ich habe Onkel Felix nie gekannt. Nur seinen Namen erinnere ich fast vage aus Vatis Munde. Nie hatte ich ein Bild von ihm gesehen. Ich weiß auch nicht wie er ausgesehen hat. Ich weiß nur, dass er ein älterer Bruder meines Vaters war und genau wie er Recht studierte. Jedoch wollte das Schicksal uns beide verbinden. Im Jahre 2000 lernte ich zufällig bei einem Vortrag Dr. Simon kennen. Er ist der Direktor des Jüdischen Zentrum in der Oranienburgerstraße in Berlin. Bei einem kurzen aber seht netten Gespräch erwähnte ich, meine Familie väterlicherseits käme aus Berlin, seien sie aber alle in der Nazi –Zeit umgekommen, die einzigen, die einzigen, die fliehen konnten, waren nämlich meine Eltern nach Südamerika. Weiter ging es überhaupt nicht.
Dr. Simon lud mich ein, das Archiv in dem Zentrum Judaicum zu besuchen, was ich am nächsten Tag ohne Weiteres tat. Am nächsten Tag regnete es ununterbrochen, es war kalt, windig und das schmuddelige Wetter verdoppelte noch mehr meine Melancholie.
In dem Archiv fand ich nach über drei Stunden die ganze Familie meines Vaters und konnte ein bisschen ihr Ende rekonstruieren. Beim Ansehen einer Todesurkunde meines Onkels Felix erfuhr ich, er war 1939 nach Sachsenhausen deportiert, wo er einige Monate später auch starb. Seine Braut, Rosa Rachel Reichel gelang Felix´Asche von Sachsenhausen in einer Urne zu holen und bei meiner Omas Grabstein auf dem Friedhof Weisensee zu begraben. Ich fragte mich lange, wie eine Jüdin die Asche ihres so eben jüdischen Bräutigams “abkaufen” konnte und mitnehmen. Das frage ich mich heute n auch noch. . .
Am darauffolgenden Tag war es ein Freitag und ich begab mich schon sehr früh zur Gedenkstätte Sachsenhausen und bat mir alle Unterlagen über Felix, die sie hatten, zu geben. Da die Empfangsdame sich mit Feierabend Gedanken um 11 Uhr schon trug, verlangte ich mit dem Direktor zu sprechen. Dr. Coppi empfing mich nach einer Weile, gegen den Willen der erblondeten und aufgetakelten Empfangsdame. Er versprach mir alles herauszusuchen, was in der Gedenkstätte über meinen Onkel Felix gab. Ich musste lange warten.
Nach etwa zwei langen Stunden überreichte er mir die Dokumentation. So erfuhr ich, Felix wurde in der Littenstraße erwischt, in die grüne Mina geschubst und zum Arbeitslager gebracht. Der Grund dafür, er war Jude.
Der Rest, der Rest ist tragische Geschichte. Jedenfalls habe ich mir vorgenommen Onkel Felix einen Stolperstein verlegen zu lassen. Er ist der einzige über den ich etwas erfahren konnte. Die anderen Familienangehörige sind einfach “verschwunden”. Nach jahrlangen Recherchen in Archiven, Arolsen, Ämtern, Einrichtungen habe ich die Suche aufgegeben. Sonst hätte ich auch gerne Stolpersteine für sie verlegen lassen können, aber wenn keine Todeseintragungen gibt, , wie in dem Fall, darf man es nicht.
Gestern habe ich die folgende Nachricht von der Stolpersteine- Koordinierungsstelle in Berlin erhalten:
Sehr geehrte Frau Rosenberg,
entschuldigen Sie bitte, dass Sie so lange nichts von uns gehört haben.
Dafür können wir Ihnen heute mitteilen, dass wir Ihr Stein für Felix Band in der Littenstr. 2 am 20.07.12 verlegen werden!
Bitte überprüfen Sie diese Inschrift für Ihren Stein, also Name, Daten, Inhalt usw. nochmals genau:
HIER WOHNTE
FELIX BAND
JG. 1902
VERHAFTET 13.9.1939
ERMORDET 14.1.1940
SACHSENHAUSEN
Aus dem Tagebuch einer Autorin, die die letzte lebendige Angehörige der Familie Band ist.