Sonntag, 29. April 2012

Replik an Günter Grass

 
 
Replik an Günter Grass
Was auch gesagt werden muss
Von Prof. Erika Rosenberg – Buenos Aires
Biographin von Emilie und Oskar Schindler

Seit Wochen  hatte ich die Absicht  meine Replik an Herrn Günter Grass zu verfassen. Leider gelang es mir nicht gleich nach der Veröffentlichung in der Süddeutschen Zeitung. Es kam immer wieder etwas dazwischen. Ich stand morgen mit dem festen Gedanken auf einige Zeilen zu schreiben aber   ich fand einfach nicht die Ruhe. Bei dem fiebrigen Leben, das ich  hier auf der anderen Seite der Welt führe, vergingen  die Stunden, die Tage, die Wochen.
Gestern war es soweit. Ohne zögern nahm ich Platz in meiner Wohnstube: Einen Bleistift hielt ich in der Hand und auf Schoß lag ein Block. So ausgerüstet und im Hintergrund mit klassischer Musik, war es Schubert oder Händel? Ich erinnere mich  schon gar nicht mehr. Wichtig war es aber die Tatsache, dass aus einem Wunsch plötzlich etwas Realität wurde. Ich merkte wie meine Gedanken  an Gestalt nahmen. Prompt die erste Seite, dann die zweite.
Ich gestehe, viel Zeit für Korrekturen habe ich nicht gehabt. Außerdem haße Korrekturen. Vor allem  von eigenen Texten. Das reicht mir schon , wenn ich die Arbeiten meiner Studenten oder Stipendiaten korrigieren muss.
In meiner Replik soll der Leser Spontaneität finden, sie ist einfach ein Gedankenguß an einem sehr busy day.

Aus dem Tagebuch einer Autorin, die  den Frieden liebt und für die  nur dieses Wort GROßGESCHRIEBEN WIRD
 
Sehr geehrter Herr Grass,
ich wende mich an Sie respektvoll und offen,
ich will Ihnen nun einfach sagen, was mich nach dem Lesen
Ihres Gedichts bedrückt.
Ich als Tochter zwangsausgewanderter Deutsch-Juden in der
Diaspora geboren
bin ich durch Ihre Zeilen schwer enttäuscht und betroffen.
Ich, Erika Rosenberg Autorin will ihr Wort erheben und fragen:
Warum Sie die Erkennung der Lage
nicht schon früher gemacht haben?
Warum, wenn Sie mit der Politik Ihres Landes unzufrieden sind, ließen Sie sich von der Gunst des Deutschen Wunders reichlich verwöhnen?
Warum haben Sie Ihre Literatur in Deutschland veröffentlicht und sogar davon profitiert?
In dem Land, wo ich als Jüdin in einer trostlosen Zeit nicht geboren werden durfte, wo meine Familie enteignet, verfolgt und umgebracht, wo jetzt aber, Menschenrechte, Selbstkritik, Demokratie man übt,
Sie verehrter Herr Grass so ein Gedicht wagen?
„Ein weiteres U-Boot von Deutschland nach Israel geliefert werden soll“, Sie klagen
Waren es nicht schon fünf???
Warum reagieren Sie erst jetzt?
Ich liebe den Frieden,
ich verachte die Kriege.
Jahrein jahraus eile ich in „Ihrem Land“,
auch wenn für kurze Zeit.
Das Land meiner Eltern ist jedoch auch.
Ich suche Versöhnung, Brüderschaft,
das habe ich in Deutschland gefunden.
Um es zu sagen, fühle ich mich bestimmt nicht gebunden.
Das Land woher ich komme erlebt derzeit eine schreckliche Krise
Und eine Erklärung wie Ihre wäre bestimmt mit Gefahren verbunden.
Ich wende mich an Sie voller Respekt,
Sie sehr geehrter Herr Grass, Literaturnobelpreisträger.
Ich habe Ihre Werke immer mit großer Leidenschaft gelesen, aber jetzt, jetzt bin ich Ihnen gegenüber sehr suspekt.
Und schließlich zur Abrundung des Themas
Israel hat auch einen vielverdienten Anspruch auf Gebiet und Frieden.
Dies nicht zu erkennen,
ist wohl Herr Grass Ihr großes Dilemma.