“Es geht mir um Gerechtigkeit”
Erika Rosenbergs Kampf im Namen von Emilie Schindler
Buenos Aires (AT/mc/dpa) - “Es geht mir nicht um Geld, sondern um den letzten Willen einer Frau, die Juden gerettet hat.” Die Feststellung ist Erika Rosenberg wichtig. Ihr Kampf im Namen von Emilie Schindler, der einstigen Ehefrau des weltbekannten Juden-Retters Oskar Schindler, zieht sich nun schon seit Jahren hin. Doch in den jüngsten Monaten wurde die in Buenos Aires lebende Publizistin mit besonderen Herausforderungen und Rückschlägen konfrontiert.
Schließlich schickt sich derzeit in New York der Memorabilien-Händler Gary J. Zimet an, im Internet ein Orginal von Oskar Schindlers Listen zum Kauf anzubieten. Auf jenen sind die 801 männlichen Namen der Juden notiert, die der Fabrikant und seine Ehefrau während des Holocausts vor der Vernichtung durch die Nazis bewahrten. Preis für die 14 Seiten: Drei Millionen Dollar. Die Blätter mit den Namen der 297 gerettenen Frauen fehlen. Der Verkäufer gab an, das historische Material, das vor allem durch Steven Spielbergs Kino-Welterfolg “Schindlers Liste” (1993) berühmt wurde, stamme aus der Familie von Schindlers Buchhalter Itzhak Stern.
“Das ist absolut absurd, dass die Liste nun für Millionen verkauft wird – und Emilie musste in Armut leben und sterben”, empört sich Erika Rosenberg, die Leben und Wirken der Eheleute Schindler in separaten Biografien festhielt. Vor einem New Yorker Gericht musste sie sich kürzlich geschlagen geben bei dem Versuch, den Verkauf zu untersagen. Für eine Revisionsklage fehlen ihr im Moment die finanziellen Mittel. Der betreffende Memorabilien-Händler ist jedenfalls keine unumstrittene Person. Jetzt erhielt die Publizistin von ihrem Anwalt die Information, dass gegen Zimet wohl auch im Zusammenhang mit dem Nachlass von John Lennon juristisch vorgegangen werde.
Rosenberg, Tochter von aus Deutschland emigrierten Juden, lernte Emilie Schindler im Jahr 1990 durch ein Interview kennen. Daraus entwickelte sich eine Freundschaft. Emilie war 1949 mit ihrem Mann nach Argentinien gekommen. Während Oskar Schindler nach acht Jahren nach Deutschland zurückkehrte, blieb seine Frau im Großraum Buenos Aires. Das Argentinische Tageblatt berichtete in den 60er Jahren über sie und verhalf ihr zu einem bescheidenen Auskommen. Die Ehe zu Oskar Schindler wurde formal nicht aufgelöst, sodass Emilie nach dem Tod ihres Mannes im Jahre 1974 zu dessen Erbin wurde. Die kinderlose Emilie bestimmte ihrerseits Erika Rosenberg als ihre Erbin, die sich somit seit dem Tod der Erblasserin im Jahre 2001 um den Nachlass kümmert.
Im Kern geht es dabei vor allem um den Wunsch Emilie Schindlers, dass die Originaldokumente von Oskar Schindler in einem deutschen Museum einer breiten Öffentlichkeit zugänglich werden. Doch dies gestaltete sich von Anfang an schwierig. Lange galten die Dokumente als verschollen, ehe Ende der 90er Jahre in Hildesheim auf dem Dachboden der letzten Geliebten von Oskar Schindler ein Koffer mit Schriftstücken und Fotos gefunden wurde. Darunter auch die originalen Listen. Aber der Inhalt des Koffers ging nicht nach Buenos Aires zu Emilie Schindler, sondern zur “Stuttgarter Zeitung”. Diese ließ das Material vom Bundesarchiv in Koblenz sichten, brachte eine Artikelserie zum Thema und schickte den Koffer schließlich an die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Emilie Schindler erhielt Kopien und nach einem Vergleich mit der Zeitung 25.000 DM (wegen der Verwendung der Dokumente zu Publikationszwecken). Die Originaldokumente blieben in Israel, wurden bislang aber nicht in der Yad Vashem-Ausstellung gezeigt – lediglich auf deren Internet-Seiten, wie Rosenberg enttäuscht berichtet.
Die Publizistin hat bereits einiges unternommen, um die Israelis zu bewegen, das Material deutschen Museen zur Verfügung zu stellen. Doch bislang vergebens. Die Antwortschreiben der israelischen Behörden waren ernüchternd: “Niemand fühlt sich zuständig”, beschreibt Rosenberg. Doch noch will sie sich nicht geschlagen geben. Sie erwägt juristische Schritte gegen Yad Vashem, gegebenenfalls vor internationalen Gerichtshöfen.
Zwar richtete das Bonner ”Haus der Geschichte” 2001 eine Dauerausstellung zu Emilie Schindler und deren Rolle bei der Juden-Rettung ein. Doch insgesamt sieht Rosenberg das Wirken der Fabrikanten-Gattin als nicht ausreichend gewürdigt an. So sei sie (anders als ihr Mann) in Yad Vashem bislang nicht mit einem Baum an der “Allee der Gerechten unter den Völkern” gewürdigt worden. Dabei habe auch Emilie maßgeblich an der Rettung zahlreicher Juden mitgewirkt. 120 Menschen, die Anfang 1945 aus dem Arbeitslager Golleschau zur Schindler-Fabrik in Brünnlitz (heute Tschechien) kamen, habe sie maßgeblich vor der Vernichtung bewahrt, so Erika Rosenberg. Ihre Mission will sie in jedem Fall weiter verfolgen: “Ich werde mich weiter um Gerechtigkeit gegenüber Emilie Schindler bemühen.”
Foto: Erika Rosenberg mit Kopien der Schindler-Listen. mc